Harlekins Mond
Stamm hinauf und lächelte so selig, dass es aussah, als sei jeder Teil von ihr schon für sich genommen glücklich.
Sie turnte an den Seilen hinauf, die um den Stamm gebunden waren, schaute zu ihm herunter und lachte. Ihr langes blondes Haar war zu einem losen Pferdeschwanz zusammengefasst, der auf und nieder wippte, während sie sich bewegte. Obwohl Gabriel sich von seiner Zeit auf Eis noch immer stark und wie neu fühlte, war Erika so behände, dass sie ihn zweimal austrickste, indem sie oberhalb von ihm um den Stamm herumlief und sich, wenn sie außer Sicht war, um mehrere Seilringe zurückfallen ließ, um dann zu seiner Überraschung unversehens neben ihm aufzutauchen. Jedes Mal schlang sie ihm ein Bein um die Hüfte und zog ihn zu einem Kuss an sich heran. Beim zweiten Mal drehte er sich rechtzeitig herum, hielt sie mit seinem Knie am Baum fest und küsste sie innig, schmeckte sie, roch sie, legte seine Wange auf ihren Scheitel und fuhr mit der Hand ihre Kehrseite entlang. Er zitterte, als er sich von ihr löste.
Erika fand eine Stelle auf einem dicken, leicht abgeplatteten Ast, gerade weit genug vom Stamm entfernt, um einen bequemen Sitzplatz abzugeben. Sie setzten sich dicht nebeneinander; die leichte Zentrifugalkraft der Gartenrotation war als Wind spürbar, der ihnen sanft ins Gesicht wehte, und als ein leichter Zug auswärts. Ihre Füße schwebten hoch über den Gräsern und dem niedrigen Gebüsch der Steppe.
Erika lehnte sich gegen ihn und flüsterte: »Wenn ich in den Kryoschlaf gehe, habe ich jedes Mal Angst, dass ich nie wieder aufwache. Oder dass sich, wenn ich doch aufwache, alles so verändert hat, dass ich mich nicht mehr zurechtfinde.«
Gabriel hielt sich mit einer Hand an dem Baum fest und drückte sie mit der anderen eng an sich. »Ich glaube, wir haben vor kurzem jemandem die Gelegenheit gegeben, eine derartige Erfahrung zu durchleben.« Er erzählte ihr von Rachels ungewolltem Schlafintervall. »Ich denke, sie kommt wieder in Ordnung«, bemerkte er abschließend. »Als ich weggegangen bin, hat sie mich fast wieder normal behandelt.«
»Das ist ja wirklich eine tolle Art, den Kälteschlaf kennenzulernen!«, stellte Erika fest. »Du sagst, du hast sie für Führungsaufgaben trainiert. Ist sie uns gegenüber jetzt noch loyal genug dafür?«
»Ich bin nicht mehr sicher«, meinte er sinnend. »Ich wollte zumindest Teamleiter ausbilden. Aber dieser Plan ist anscheinend verworfen worden, während Rachel und ich kalt waren … Ich glaube nicht, dass mich irgendeines der Mondkinder damals gehasst hat, ausgenommen vielleicht Andrew, aber ich bin sicher, manche von ihnen hassen Star und Shane. Im Unterrichtswald bin ich zwei Kindern begegnet, die offenbar Angst vor mir hatten. Sie wollten nicht einmal in meine Nähe kommen. Das macht mir Sorgen. Und die Kolonisten – die Mondkinder nennen sie ›Erdgeborene‹ – sie können uns nicht ausstehen und spielen sich dafür den Mondgeborenen gegenüber als die Herren auf.« Er schürzte die Lippen. »Jedenfalls die meisten. Niemand scheint mit seiner Situation besonders glücklich zu sein.«
»Was war mit diesem Andrew?« Erika griff den Teil heraus, der bedrohlich für ihn werden konnte.
»Ein verrückter Junge. Destruktiv. Er hat zweimal Pflanzungen beschädigt. Wir haben ihm seine Datenrechte entzogen, ihn aber auf Selene belassen.«
»War das eine gute Idee?«
Gabriel zuckte die Achseln. »Ali und ich haben lange darüber geredet, und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es besser sei als die Alternativen; ihn zu töten, meine ich, ihn einzufrieren oder ihn wegzusperren. Ich glaube nicht, dass Liren der gleichen Meinung war, auch wenn sie mitgespielt hat. Aber wenn wir jeden auf Eis legen würden, der sich danebenbenimmt, würden wir die Kryotanks für die falschen Zwecke einsetzen. Liren hat andere Vorstellungen – sie hat allen Ernstes ein Gefängnis gebaut.«
»Ein was?« Erika zog sich ein Stück zurück und schwang herum, sodass sie ihn direkt ansah. »Hat sie Andrew da hineingesteckt?«
»Nein – wir hatten das Urteil über ihn schon gefällt. Außerdem können die Leute nicht viel tun, für das man sie ins Gefängnis stecken würde. Zum Teufel, wir haben schließlich überall Kameras. Aber Shane sagt, sie haben ein paarmal Leute wegen Prügeleien dort eingesperrt – sowohl Mondgeborene als auch Erdgeborene. Ich schätze, es dient hauptsächlich zur Abschreckung.«
»Brauchen wir eine solche Abschreckung? Ist es so schlimm
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