Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1
spürte, wie ein Tropfen Schweiß über ihren Nacken rann, er war unangenehm kalt.
Die Tür! Sie musste hier irgendwie raus, egal, was passierte.
Sie lief einfach los. Es war ihr gleichgültig, ob ihre Turnschuhe quietschten oder sie gegen die Wand rannte, sie musste jetzt einfach etwas tun, konnte hier nicht abwarten, bis der andere die Initiative ergriff.
Ihre Finger griffen ins Leere, dann ertasteten sie etwas, die Wand, das war doch die Wand, oder? Okay, jetzt weiter, sie musste nach links, da war sie sich fast sicher, ihr Orientierungssinn war eigentlich gut.
Vorwärts, Liv, einfach vorwärts.
Schritt für Schritt kam sie voran, dann trafen ihre Finger auf etwas, war das ein Lichtschalter? Ja! Eindeutig. Sie drückte ihn, es tat sich nichts, aber egal – wo ein Lichtschalter war, war auch eine Tür.
Sie griff tastend in die Luft und in dem Moment spürte sie den Hauch. Es war nicht viel mehr als ein leichter Hauch, dann roch sie etwas, einen Geruch, der ihr vage vertraut vorkam, aber sie konnte ihn nicht zuordnen, denn er wurde von etwas Metallischem überdeckt, ihrem eigenen Angstschweiß.
Und den Bruchteil einer Sekunde später wusste sie es. Jemand atmete direkt hinter ihr.
Sie fuhr herum, riss die Arme hoch, stieß gegen etwas Weiches, warme Haut, ganz eindeutig, da stand jemand. Jetzt schrie sie doch, sie konnte nicht anders, all die aufgestaute Angst lag in diesem Schrei und sie rannte los, blindlings in den stockdunklen Raum. Dann fühlte sie eine Metallstange, die sie direkt in den Kniekehlen erwischte und mitten im Lauf knickten ihre Beine ein.
Sie knallte mit dem Kopf gegen etwas Hartes und dachte noch, nicht gut, Liv, gar nicht gut , dann verlor sie das Bewusstsein.
14
Als Liv erwachte, war die erste Empfindung, die sie fühlte, brüllender Schmerz. Dann Erleichterung, denn das, was sie sah, war Licht, gleißendes, helles, wunderbares Licht. Die Dunkelheit war verschwunden.
Sie blinzelte.
»Bleib ganz ruhig liegen, Liv«, sagte eine Stimme, die ihr vage bekannt vorkam. »Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung.«
»Wo …«, ächzte sie und versuchte sich aufzusetzen. »Was ist denn passiert?«
»Keine Ahnung. Du scheinst von der Hantelbank geknallt zu sein.« Sie fühlte eine Hand, die sie stützte, dann hatten sich ihre Augen an das Licht gewöhnt. Vor ihr sah sie in das Gesicht von Carl. Carl war auf dem Footballfeld ein schulbekannter Rambo, in Wahrheit aber einer der sanftmütigsten Kerle, die Liv kannte. Seine braunen Augen in dem pickelnarbigen Gesicht musterten sie besorgt.
»Das Licht … die Lampen, sind sie wieder …?«
Carl schüttelte den Kopf. »Mach am besten die Augen zu, wenn es zu hell ist. Das ist ziemlich typisch für eine Gehirnerschütterung.«
»Das meine ich nicht.« Langsam kam sie voll zu sich. »Als du mich gefunden hast, haben da die Lampen gebrannt?«
»Ja natürlich.« Jetzt sah Carl verwirrt aus.
»Und ich war allein? War sonst niemand im Raum?«
»Nein.« Carl schüttelte den Kopf. »Ich war mit Benji nebenan, wir haben trainiert, dann haben wir ein Poltern gehört. Wir sind sofort rein.« Er musterte sie streng. »Mensch, was trainierst du auch allein? Das ist niemals eine gute Idee.«
Tja, ich war ja nicht allein, dachte sie sarkastisch.
»Hilfst du mir aufzustehen? Mir geht es gut. Nur Kopfschmerzen, nichts Schlimmes passiert.«
Carl zögerte. »Du solltest wirklich liegen bleiben, bis die Schulsanis kommen«, sagte er. »Ich ruf sie jetzt gleich an.« Er zückte sein Handy.
»Bloß nicht«, entfuhr es Liv.
Sie wusste selbst nicht, warum sie so harsch reagierte. Vermutlich wäre es tatsächlich besser, sich untersuchen zu lassen. Aber dann musste sie erzählen, wie es zu dem Sturz gekommen war, und sie sah die Gesichter schon förmlich vor sich. »Ein Licht nach dem anderen ist ausgegangen? Und der Fernseher auch? Und dann war da ein Mensch, der dich bedroht hat, weil er hinter dir stand?« Sie würden sie für verrückt erklären, das war ja mal klar.
Andererseits – würden sie das wirklich? Die Schulsanis vielleicht, aber was war mit da Silva vom Sheriffs Office? Immerhin hatte sie vor zwei Tagen eine Leiche in ihrem Vorgarten gefunden. Und sie war eindeutig bedroht worden. Entweder wollte ihr jemand Angst einjagen oder der Sturz und Carls schnelle Reaktion hatten sie vor etwas Schlimmerem bewahrt.
Doch dann fiel ihr ein, wo ihr Denkfehler lag. Ja, sie war bedroht worden und war Zeugin in einem Mordfall geworden. Aber der
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