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Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Titel: Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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dass etwas unter seinem Bett lauerte, dann hatte sie das Licht angemacht, zusätzlich eine Taschenlampe geholt und mit ihm zusammen unters Bett geleuchtet.
    »Siehst du etwas?«, hatte sie gefragt.
    »Nein«, hatte er geantwortet und geseufzt.
    »Na eben«, hatte sie gesagt. »Dann kann es auch nichts Böses sein.«
    Und das war ihm als Fünfjährigem so entwaffnend logisch vorgekommen, dass er jedes Mal sofort hatte einschlafen können.
    Er wusste gar nicht, warum er ausgerechnet jetzt an Maja denken musste. Wo sie wohl war? Was sie wohl machte?
    Er wünschte sich, sie wäre hier bei ihm, würde ihn in die Arme nehmen, ihre Taschenlampe holen und alle Winkel und Ecken dieses Raums ausleuchten. Und dann würde sie sagen: »Siehst du etwas?«
    Er würde antworten: »Nein.«
    Dann würde sie lachen. »Na eben. Dann kann es auch nichts Böses sein.«
    Das würde sie sagen, aber diesmal würde er wissen, dass es nicht die Wahrheit war.
    Er blickte in die Kamera, die über ihm hing und keine Spur der Zerstörung aufwies. Er machte keine Bewegung, aber trotzdem sirrte sie hin und her, wie eine übermütige Hummel. Ja, so kam es ihm plötzlich vor. Die Kamera klang fröhlich. Richtig gut gelaunt.
    Nein, das Böse konnte man nicht sehen.
    Es war einfach da.

16
    Liv spürte, wie ihre Zähne klapperten, als sie das Handy zurück in die Tasche steckte. Sie wusste selbst nicht, warum sie das Zittern nicht unter Kontrolle bekam. Schließlich war nichts passiert. Es ging ihr gut. Sie stand am helllichten Tag vor dem Campus, wo Hunderte von Schülern im Unterricht schwitzten. Gleich würde Jessie kommen und sie abholen.
    Als sie ihren großen Bruder auf seinem Handy erreicht hatte, hatte er zerknirscht geklungen. »Sorry Sis, dass ich dich heute Morgen so angefahren habe«, sagte er, bevor sie sich überhaupt hatte melden können. »Meine Schuld. Mittagessen bei Joey’s?«
    Liv hatte den Kopf geschüttelt, obwohl er sie nicht hatte sehen können. »Nein, ich muss mit dir reden. Sofort. Es ist etwas passiert.«
    »Was denn?« Seine Stimme hatte alarmiert geklungen.
    »Hol mich einfach von der Schule ab, okay?«
    Jessie hatte keinen Moment gezögert. »Ich bin so schnell ich kann da.« Er hatte aufgelegt und nun stand sie hier und ihre Zähne hörten nicht auf zu klappern. Sie wünschte, sie hätte Mai und Toby nicht überredet, zurück in die Schule zu gehen. Aber sie wusste, dass Toby einen Verweis riskierte und Mais Mutter durchdrehen würde, wenn sie noch einmal schwänzte.
    Liv sah zurück auf das Schulgebäude, das unter dem strahlend blauen Himmel noch trister wirkte als bei schlechtem Wetter. Bedrohlich baute sich das Gebäude hinter ihr auf, die Fenster sahen wie blinde Flecken in der grauen Fassade aus.
    Sie ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, tief durchzuatmen. Vielleicht sollte sie doch lieber in der Bibliothek warten? Andererseits müsste sie von hier aus quer über den Campus laufen – bis sie dort ankam, wäre Jessie sicher schon hier.
    Ihr Handy summte, sie zuckte zusammen und ließ es fast fallen, als sie es aus der Tasche angelte. Sie nahm den Anruf entgegen, ohne aufs Display zu achten. »Jessie«, sagte sie atemlos.
    Stille in der Leitung.
    Dann eine Stimme, die sie nur allzu gut kannte. »Nein, hier ist nicht Jessie.«
    »Daniel.« Liv spürte, wie ihr Herz aussetzte. Sie hätte nie gedacht, dass es irgendwann so wehtun könnte, seine Stimme zu hören. »Was willst du?«
    »Bitte leg nicht wieder auf.« Daniels Stimme klang gepresst, so, als müsste er sich zusammennehmen. »Das mit gestern im Diner tut mir leid, Liv. Ich bin durchgedreht. Ich hätte bleiben und dir alles erklären sollen. Aber ich war so wütend, dass …«
    » Du warst so wütend? Ach, und ich dachte, es ginge dir um mich?«
    »Das tut es ja auch. Du kannst das jetzt nicht verstehen, ich würde so gern …« Wieder brach er ab. »Liv, da gibt es etwas, das ich dir sagen muss. Was alles erklärt. Aber ich … ich kann hier nicht weg, wir haben ja noch … das Spiel hier in Amherst. Dann komme ich zurück. Und bitte, du musst mir versprechen, dass du mich dann anhörst. Liv, du wirst mich verstehen, ganz bestimmt!«
    Liv schwieg. Sie wusste nicht mehr, was sie erwidern sollte. Sie war so müde. So furchtbar erschöpft.
    »Liv? Bist du noch da?«
    Es rauschte in der Leitung, dann hörte Liv Geschirrklappern und eine Frauenstimme, die offenbar Daniel fragte, ob er noch Kaffee wolle.
    »Liv, tut mir leid«, seine Stimme klang jetzt

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