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Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Titel: Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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ihr Gesicht zu streicheln. Aber er tat es nicht. Er rührte sie nicht an.
    »Liv, ich mag dich«, sagte er. »Ich mag dich viel zu sehr, als dass ich dir das antun könnte. Du musst es selbst herausfinden.«
    Damit verschwand er endgültig durch die Tür und zog sie ganz leise hinter sich zu. Liv hörte seine Schritte auf der Treppe, dann unten im Erdgeschoss. Wenig später schlug die Haustür.
    Und noch immer rührte sie sich nicht. Es war, als hätte Ethan sie mit einem Bann belegt. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bevor ihr bewusst wurde, dass sie Geräusche von unten hörte.
    Gelächter. Eine Frauenstimme, irgendwie technisch, wie auf einem Anrufbeantworter, die von unten heraufdröhnte.
    Endlich gelang es Liv, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen. Sie riss die Tür auf, rannte die Treppe hinab, doch in der Tür zum Wohnzimmer blieb sie wie angewurzelt stehen.
    In die Stimmen mischte sich Musik, sie kam aus der teuren Soundanlage ihres Vaters. Hate me von Blue October. Aber das war noch nicht alles. Über den riesigen Flatscreen vor dem Sofa zuckten Bilder, eine ganz Abfolge von bunten Bildern, ein Video, offenbar von einem Amateur gedreht.
    Ein Fluss war im Hintergrund zu sehen, dazu Kinder, die auf der sonnenverbrannten Wiese spielten, ein Vater, der im Hintergrund einen Grill aufbaute. Doch es waren die Leute im Vordergrund, von denen Liv nicht ihren Blick nehmen konnte. Der Bildschirm zeigte ein blondes schmales Mädchen mit einem Kurzhaarschnitt. Sie trug einen roten, sehr sexy Bikini und lachte aus vollem Hals. Rachel.
    Neben ihr stand Ethan. Liv erkannte ihn kaum wieder, er sah so atemberaubend gut aus, braun gebrannt und voller Leben. Er hatte den Arm um das Mädchen gelegt. Und dann war da noch eine dritte Person im Bild und die war Liv am vertrautesten von allen. Sie küsste gerade Rachel auf die Wange und wandte sich dann der Kamera zu.
    Liv traute ihren Augen nicht, als sie in Jessies Gesicht starrte. Ihr Bruder lächelte.

21
    Ein Bild jagte das andere. Es waren kurze Videoclips, die in rascher Abfolge hintereinander geschnitten waren, sodass sich keine echte Szene ergab, sondern immer nur Ausschnitte wie aus einem Fotoalbum. Oder nein, das war nicht richtig. Die Bilder ergaben Ausschnitte aus Gefühlen.
    Sie waren meistens zu dritt. Ethan, Rachel, Jessie.
    Im Sandkasten des Spielplatzes an der Schule. Sie albern herum, plötzlich macht Ethan einen Handstand, Jessie wirft ihn um, die beiden balgen für einen Moment, lassen dann lachend voneinander ab, während Rachel daneben sitzt und zusieht.
    Im Hintergrund lief immer noch der Song … Hate me.
    Die drei im Kunstraum der Schule, Rachel in schwarzen Jeans und einem alten Sweatshirt steht vor einer Leinwand, die Haare hat sie sich mit einem bunten Tuch zusammengebunden. In ihrer Hand hat sie einen riesigen Pinsel und die Leinwand ist mit groben Strichen bedeckt. Jessie kommt in den Raum, er betrachtet das Bild, sie scheinen sich darüber auszutauschen, denn beide haben sie konzentriert die Stirn gerunzelt. Nun wackelt die Kamera, dann tritt Ethan ins Bild, er lächelt, sein schönes Gesicht zeigt Stolz; Stolz auf Rachel, die er nun von hinten umarmt und in den Nacken küsst, während Jessie einen Scherz zu machen scheint.
    Hate me.
    Die drei bei einem Footballspiel der Highschool, alle sind aufgesprungen und scheinen die Mannschaft anzufeuern, dann endet der Spielzug offenbar, denn sie sinken lachend und jubelnd zurück.
    Ein letztes Bild, diesmal wackelt die Kamera nicht, sie bleibt ganz still, als hätte man sie irgendwo aufgestellt, um die Szene zu filmen. Es ist dämmrig, aber das Bild ist sehr klar, fast ist es, als würde das Zwielicht die Farben verstärken. Man spürt förmlich die Wärme des vergangenen Sommertages. Die Kamera zeigt einen Vorgarten mit einem Ahornbaum. Die drei sitzen auf den Überresten des Baumhauses. Rachel in der Mitte zwischen den beiden Jungen, sie trägt einen kurzen Rock, ihre nackten, braun gebrannten Beine baumeln in die Luft. Ein Joint macht die Runde. Die drei schweigen, aber sie sehen glücklich aus.
    Das Lied fing wieder von vorn an, Liv hatte die Zeilen nur unterbewusst wahrgenommen, ihr Sinne waren voll auf die Leinwand vor ihr gerichtet, es war, als ob das Gehirn seine ganze Leistung zum Sehen aufgewendet und das Gehör vorübergehend ausgeschaltet hatte.
    Bis jetzt.
    Denn nun kamen auch die anderen Gedanken zurück und sie kamen mit einer Macht, dass Liv keuchend nach Luft schnappte.
    Jessie! Was hatte

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