Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1

Titel: Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
Vom Netzwerk:
griff nach einem Stuhl in ihrer Nähe und ließ sich hinter eines der Pulte sinken.
    Ethan stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf, die ihm nicht die geringste Mühe bereitete. Er sah zur Tür hinüber, die unter den Schlägen von Jessie erzitterte, dann zu Liv.
    »Was tust du hier?«, flüsterte Liv. »Was geht hier vor?«
    Ethan fuhr sich über die Stirn. Plötzlich sah er müde und erschöpft aus. »Wenn ich dir das bloß erklären könnte«, sagte er hilflos.
    Liv spürte, wie der Schock langsam nachließ. Oder erst einsetzte? Sie war sich nicht sicher. Sie konnte immer noch nicht glauben, was eben geschehen war. Jessie hatte sie mit einem Messer in der Hand verfolgt, bereit, sie zu töten. Und das nur, weil sie die Videos gesehen hatte. Denn darum ging es doch hier, oder? Um die Videos und das, was sie bewiesen.
    »Die Tür! Liv, die Tür! Mach zur Hölle auf!«
    Ethan zögerte noch immer und plötzlich wusste Liv, was ihn zurückhielt. »Keine Sorge«, sagte sie. »Ich glaube dir. Ich hab Jessies Gesicht gesehen. Ich will nur endlich die Wahrheit wissen.«
    Über Ethans Miene zog ein Hauch von Erleichterung. »Die Wahrheit«, flüsterte er. »Du hast recht. Ich erzähl dir, was passiert ist, okay? Vielleicht verstehst du dann besser, warum ich mich so verhalten habe.«
    Draußen vor der Tür war es jetzt ganz still geworden. »Jessie holt etwas, um die Tür aufzubrechen«, vermutete Liv.
    Ethan schüttelte den Kopf. »Keine Sorge«, sagte er. »Die Tür hält das schon aus.« Er rieb sich noch einmal die Stirn, nahm sich einen Stuhl und setzte sich Liv gegenüber vor das Pult. Seine Augen wirkten in dem Dämmerlicht des Raumes wieder fast schwarz, seine Züge fein geschnitten. Das Haar fiel ihm ins Gesicht und er strich es mit einer ungeduldigen Bewegung beiseite.
    Die Lamellen vor den Fenstern ließen das Licht der Campuslaterne in breiten Streifen ins Zimmer. Es malte Schatten auf den Fußboden, die im leisen Lufthauch zitterten.
    Langsam übertrug sich etwas von Ethans Ruhe auch auf Liv. All das hier war unwirklich, total irre, aber merkwürdigerweise fühlte sie sich das erste Mal seit Tagen absolut sicher.
    Ethan würde auf sie aufpassen. Und er würde ihr endlich die Wahrheit sagen.
    »Wir drei waren eins, verstehst du?« Ethan sah sie fragend an und sie wusste, wovon er sprach. Sie hatte schließlich die Bilder gesehen. »Rachel und Ethan und ich. Wir waren gemeinsam in der Summer School vor zwei Jahren. Rachel und ich im Kunstkurs, Jessie war bei den Theaterleuten. Jarmaine Winter hat den Kunstkurs geleitet, ich konnte es gar nicht fassen, als ich davon hörte. Sie ist eine berühmte Malerin, musst du wissen. Und noch viel weniger konnte ich es fassen, als ich tatsächlich aufgenommen wurde.« Seine Gedanken waren jetzt ganz offenbar in der Vergangenheit. »Verstehst du, das ist so ein Traum von mir. Ich möchte die Bilder hinter den Bildern erkennen, sie hervorholen.«
    Liv runzelte die Stirn. »Die Bilder hinter den Bildern?«, fragte sie und zuckte zusammen, als ein mächtiger Schlag die Tür erzittern ließ.
    »Keine Angst«, sagte Ethan ruhig. »Ich erzähle weiter und du konzentrierst dich darauf, was ich sage. Und wenn ich fertig bin, wird Jessie entweder aufgegeben haben oder die Polizei ist hier.«
    »Die Polizei?«
    Ethan nickte und deutete auf das Handy in seiner Hand. »Was denkst du? Ich hab sie angerufen, als ich das Poltern und die Schreie im Treppenhaus hörte.«
    Liv schnürte es die Kehle zusammen bei dem Gedanken, dass die Polizei ihren eigenen Bruder abführen könnte. Aber dieser Albtraum musste irgendwie ein Ende nehmen. Er musste!
    »Wie gesagt, wir drei waren eins«, fuhr Ethan fort. »Es war ein Sommer, wie man ihn immer in Filmen sieht und in Büchern liest. Rachel war so schön und so klug und ich liebte sie abgöttisch. Und Jessie …«, er stockte einen Moment, »war mein bester Freund.«
    »Und du hast ihn in der Summer School kennengelernt?«, fragte Liv.
    Ethan sah kurz irritiert aus. »Wie meinst du das?«, fragte er. »Natürlich nicht!«
    Liv bemerkte eine Bewegung auf dem Fußboden. Im Dämmerlicht des Zimmers sah es so aus, als ob die Schattenstreifen der Lamellen sich bewegt hätten. Die Linien auf dem Fußboden waren jetzt klar umrissen.
    Ethan legte den Kopf schräg. »Du erinnerst dich nicht mehr, oder?«
    »Woran soll ich mich erinnern?« Liv spürte plötzlich, wie sie ungeduldig wurde. Die Polizei konnte jeden Moment kommen. Aber vorher musste sie

Weitere Kostenlose Bücher