Harmlose Hölle - Raum 213 ; Bd. 1
zog es sich qualvoll in die Länge und endete in einem Pfeifen.
Um Ethan herum herrschte Chaos. Zerbrochene Stühle, zersplittertes Holz, umgeworfene Tische. Und die Raserei hatte noch kein Ende. Er biss die Zähne zusammen, so fest, dass er das Gefühl hatte, er würde nie wieder den Kiefer auseinanderbekommen. Die Fäuste waren geballt, als er herumfuhr und seinen Blick über das Zimmer gleiten ließ, das kaum noch wiederzuerkennen war.
Ein niedriger Schrank an der Längswand war das Einzige, was außer der Tafel noch an seinem Platz stand. Mit einem Aufschrei stürzte sich Ethan darauf und hieb mit der bloßen Faust auf das Holz ein, das nicht einen Millimeter nachgab.
»Du wolltest mit mir spielen, Jessie?« Ethan war schon heiser vom Brüllen.
Er stemmte sich gegen den Schrank, streckte beide Hände aus, schob mit aller Macht. Es knirschte, das alte Holz gab irgendwo nach, ein Bein knickte ein.
Ein Grinsen breitete sich auf Ethans Gesicht aus, und das war es auch, was er empfand: wilde Freude, wilden Hass.
»Okay, dann spielen wir. Wir spielen richtig. Aber diesmal bestimme ich den Einsatz.«
Ein neuerliches Knirschen. Das zweite Bein gab nach und der Schrank knickte ein.
Ethan holte mit dem Fuß aus und trat zu. Mit einem mächtigen Krachen splitterte die Tür des Schranks. Sein Fuß blieb in einem merkwürdigen Winkel stecken. Blut lief ihm übers Kinn, seine Lippe war an mehreren Stellen aufgeplatzt.
»Was ist dir wichtig, Jessie? Ist es Rachel? Oder ist es deine süße kleine Schwester? Was, Jessie? Was ist dir wichtig im Leben? Sag es mir! Sag es mir einfach und ich kümmere mich darum. Dazu sind beste Freunde ja da, oder?«
Er zog seinen Fuß aus der Schranktür, brüllte vor Schmerz auf und machte doch weiter. »Der Einsatz, Jessie! Am Ende wird gezahlt. Jeder muss zahlen, kapierst du das, Jessie? Jeder! Auch du!«
Ein neuer Schlag, der Schrank brach auf der anderen Seite zusammen. Er lachte schrill auf, seine Stimme veränderte sich. »Schon mal davon gehört, dass es nicht cool ist, die Frau seines besten Freundes zu nehmen? Total uncool sogar!«
Wieder stemmte er sich gegen das Möbelstück. Trommelte dagegen, versuchte es umzustoßen. »Du wirst das schon noch kapieren, Jessie, das schwöre ich dir.« Damit kippte der schwere Schrank mit einem Mal zur Seite und riss die Überreste eines der Pulte, die davorgestanden hatten, mit sich.
Staub wirbelte auf und für einen Augenblick stand Ethan völlig reglos inmitten der zerbrochenen Holzteile.
Er wischte sich über das Gesicht, eine breite Blutspur zog sich vom Mund bis zum rechten Ohr, was seinem Grinsen einen gespenstischen Zug verlieh.
»Spätestens dann, wenn ich sie töten werde«, flüsterte er ganz leise. »Das schwöre ich dir, Scheißkerl. Ich werde sie alle töten.«
In diesem Moment gab es einen ganz leisen Ton. Ein feines Klicken, nicht mehr.
Ethans Kopf drehte sich nur langsam in Richtung des Klanges.
Erst verstand er nicht, was er sah, aber er wusste, dass er verstehen sollte. Er musste nur die Teile in seinem Kopf wieder zusammenbringen, die auseinandergedriftet waren, er hatte es genau gespürt.
Aber dann hellte sich sein Gesicht auf. Natürlich! Er hatte den Schlüssel gefunden. Es war ja so einfach! Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Worte waren der Schlüssel zu allem, war es nicht so?
Ethan lächelte, als er mit erhobenem Kopf auf die Tür von Raum 213 zuschritt, die aufgeschwungen war, als wäre sie nie verschlossen gewesen.
25
Das Messer sah genauso aus wie das von Jessie.
Es hatte einen hölzernen Griff und die geschmiedete Stahlklinge blitzte im Dämmerlicht auf.
Liv wusste nicht, wann sie gespürt hatte, dass sie einen entsetzlichen Fehler gemacht hatte. Vielleicht schon in dem Moment, als Ethan sie umarmte. Es fühlte sich nur einen kurzen Augenblick so an, als ob er ihr tatsächlich Trost spenden würde. Doch dann verstärkte sich sein Griff und Liv musste nach Atem ringen.
»Lass mich los, Ethan!«
Und Ethan hatte sofort gehorcht. Er hatte sie losgelassen und ein Stück weit von sich gehalten, aber als sie in seine Augen sah, war da von Trauer oder Mitleid oder Verständnis keine Spur mehr.
Sein Blick war triumphierend.
»Du brauchst keine Angst zu haben, kleine Liv«, sagte er. »Weißt du, ich hab viel zu spät begriffen, dass man in diesem Raum keine Angst zu haben braucht. Das Zimmer beschützt einen.« Er lachte. »Am Anfang habe ich wirklich geglaubt, es ist böse. Aber das Gegenteil
Weitere Kostenlose Bücher