Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
»Friede, meine Lady und edle Kusine Bradamant. Denn so will es das Gesetz. Dieser junge Herr ist ein Ritter, Sir Harold de Shea, und wenn er Lord Roger in Fesseln hält, dann ist er der seine.«
»In diesem Falle fordere ich ihn heraus«, sagte Bradamant und zog gleich zwei Handschuhe aus ihrem Gürtel. »Denn er ist meine Seele und meine ganze Liebe, und ich werde gegen jeden antreten, der ihn gefangen hält. Reinald, helft mir!«
»Bindet ihn los!« sagte Reinald barsch.
Es klang wie ein Erdbeben in der Küche, als auch Ronald von seinem Pferd sprang. »Dann muß ich an seiner Seite stehen, damit die Parteien ausgeglichen sind. Denn er ist ein edler Ritter, der mir großen Dienst erwiesen hat. Ho, Durandel!« Er zog sein Schwert, und Belphegor zog sich ein paar Schritte zurück. Sie zog einen Pfeil aus ihrem Köcher und spannte die Sehne des Bogens sie zielte auf Roger, nicht auf Bradamant. Shea bewunderte die Geistesgegenwart seiner Frau. Reinald blickte verwirrt umher, aber Bradamant verharrte mitten im Schritt und lachte leise.
»Nicht doch, Edelmänner!« sagte sie. »Lassen wir den Zwist, da Sarazenenbanner über dem nächsten Bergkamm stehen. Lösen wir den Konflikt in freundschaftlicher Übereinkunft. Sir Harold, meine Hand.« Sie steckte den Dolch in den Gürtel und streckte die Hand aus.
Shea ergriff sie. »Okay, Lady«, sagte er. »Was mich angeht: ich brauche den Burschen. Ein Freund von mir ist auf Burg Carena und kann nicht raus, weil Atlantes eine Mauer aus Feuer errichtet hat, und bis ich Roger nicht zurückbringe, tut sich dort nichts.«
»Aber er ist mir mehr als ein Freund«, sagte die Lady, »und mein ein und alles.« Sie winkte Roger zu, der ein leises »Allah!«
vernehmen ließ. »Es ist gewiß nicht ritterlich, uns nicht zusammenkommen zu lassen.«
»Umso mehr«, sagte Belphegor und steckte den Pfeil in den Köcher zurück, »würde er seine Pflicht gegenüber seinem Lehnsherren verfehlen, der gefangen gehalten wird.«
»Gewiß, aber das Größere tilgt das Kleine«, sagte Bradamant.
»Indem er Roger diesem Sarazenen ausliefert, würde er seine Pflicht gegenüber Kaiser Karl verfehlen, der unser aller Lehnsherr ist.«
»Meiner nicht«, bemerkte Shea.
Die drei Ritter schnappten nach Luft, und Rolands Gesichtsausdruck wurde eine Spur ernster. »Mein Herr«, sagte er,
»Schluß mit der unergiebigen Diskussion! Ihr kennt mich als Euren Freund. Werdet Ihr meinem Urteil in diesem Streit folgen?«
Shea schaute auf die Bewaffneten, in deren Mitte er stand. Warum sollte er keine gute Miene zu dem Spiel machen, vor allem, da Roland kein schlechter Kerl zu sein schien. »Sicher«, sagte er, »alles, was Sie sagen, akzeptiere ich.«
»Und Ihr, Lady Bradamant?«
»Das gilt auch für mich.«
»Dann hört!« Roland löste sein Schwert aus dem Gürtel und küßte den Knauf. »Das ist mein Urteil, das ich mit Hilfe des heiligen Michael verkünde: daß Sir Harald den Lord Roger an die Lady Bradamant ausliefern soll. Aber da sie den Ring besitzt, der alles Zauberwerk zerstört, soll sie auf der Stelle auf ihren Eid nehmen, Sir Harolds Lehnsherren aus Burg Carena zu befreien! Dies trage ich ihr auf. Und nichts anderes soll geschehen, bis es ausgeführt ist.«
Belphegor klatschte in die Hände. »Oh, gut ausgedacht!« Auch Bradamants Gesicht verriet ihre Freude. Sie trat zu ihrem Pferd, zog ein Schwert, das dem Rolands in Größe kaum nachstand, und streckte es ihm entgegen. Er hob den Griff an ihr Gesicht, sie küßte ihn und hob die Hand. »Ich schwöre es«, sagte sie und wandte sich an Shea. »Nun übergebt mir Euren Gefangenen!«
»Was soll ich tun?« fragte er.
»Legt seine Hand in die meine.«
»Kann ich nicht. Er ist gefesselt.«
»Mach ihn los, du Narr!« Sie stampfte mit dem Fuß auf.
Shea war sich nicht sicher, ob der Vorschlag so gut war, aber niemand schien einen Einwand zu haben. Also trat er hinter den Hünen und löste einige Knoten. Roger seufzte erleichtert auf und legte seine Hand in die Bradamants.
»Übertragt Ihr mir alle Kriegs-und Lösegeldrechte an diesem Mann?« fragte sie.
»Klar.«
»Dann empfang ich ihn.« Sie ließ Rogers Hand fallen und versetzte ihm weit ausholend eine fürchterliche Ohrfeige. »Komm, Knappe!« Langsam hob Roger den Arm. Doch statt zurückzuschlagen, begann er zu kichern. »Du begleitest uns nach Carena!«
Rogers Gesicht entspannte sich. »Oh, meine Lady, ich flehe Euch an, bringt mich nicht dorthin zurück, wo mein Onkel mich wie ein
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