Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
in das Tuch und holte eine zweite Handvoll Münzen heraus, um sie dem Schmied zu geben. Aber der war jetzt ganz Mißtrauen. Er ließ jede einzelne Münze auf dem Amboß tanzen das heißt, er versuchte es, denn sobald Metall auf Metall traf, lösten sich die Geldstücke zu kleinen Sandkegeln auf.
»Lump! Betrüger! Zauberer!« brüllte der Mann und packte seinen Hammer mit beiden Händen. »Raus! Raus! Ha, Priester!«
Zum Glück verfolgte er das Trio bei dessen hastigem Rückzug nicht. Wieder auf der Straße, machte Shea sich klar, daß der goldene Sand und Kellers >Silberschrein< schlecht zueinander paßten und der Zauber wohl deshalb geplatzt war. Und es konnte ihn nicht gerade aufheitern, daß Roger trotz der Schlinge um seinen Hals laut kicherte.
Shea wandte sich an das Mädchen. »Paß auf!« sagte er. »Es hat mit unserem Vorhaben eigentlich nichts zu tun . . .« er blickte zu Roger , »aber ich glaube, ein Freund von mir steckt in der Klemme. Würde es dir viel ausmachen, wenn wir uns ein bißchen beeilen?«
Als Antwort lächelte sie ihn tatsächlich an. »Nur zu!« erwiderte sie und nahm einen Pfeil aus dem Köcher, um Roger zur Eile anzutreiben. Aber da: »Halt! Dort ist jemand, der weint, und es ist nur ritterlich, sich seiner anzunehmen.«
Shea drehte sich um. Mit dem Rücken zu ihm, die Füße im Graben am Straßenrand, saß tatsächlich eine Gestalt, die weinte. Ihr dunkles Haar war wohlgepflegt, ihr Körper der einer jungen Frau. Als die drei neben ihr stehenblieben, wandte sie sich um. Ihr ausgesprochen hübsches Gesicht war tränenüberströmt und nicht ganz sauber. »Sie ... sie ... sie wollen meinen Schatz töten«, bekam sie heraus und begann erneut, herzzerreißend aufzuschluchzen.
Belphegor sagte: »Sir Harold, ganz gleich, was Ihr vorhabt, hier ist eine Aufgabe, die alle anderen Aufgaben zurückstehen läßt: eine Frau, die ohne Schuld in Not geraten ist.«
»Von Schuld oder Unschuld weiß ich nichts«, erwiderte Shea.
»Aber warten wir's ab.« Er fragte das weinende Mädchen: »Wer sind sie? Meinst du die Leute, die das Monster auf den Scheiterhaufen schicken wollen?«
»Ach, er ist so wenig ein Monster wie ich. Bin ich ein Monster?« Sie breitete die Arme aus, und Shea bemerkte, daß ihr Kleid tief ausgeschnitten war.
»Tränen können ein zerrissenes Mieder nicht flicken«, bemerkte Belphegor mit einer Spur von Kälte in der Stimme.
»Der . . . der Priester h-hat ihn zum Heiligen Kreuz gebracht, um ihn zu verbrennen. Rettet ihn!«
Shea blickte zögernd zu Belphegor. Das Mädchen runzelte die Stirn, sagte aber entschlossen: »Sir Harold, mir scheint, ihr Kummer betrifft jenen Freund, von dem Ihr gesprochen habt.«
»Das fürchte ich auch«, sagte er. »Du nimmst nein, du brauchst beide Hände für den Bogen, und ich brauche nur eine für mein Schwert. Auf geht's, Roger!« Er zog die Klinge aus der Scheide. Das Mädchen folgte ihnen.
Die Straße führte einen Berg hinauf, von dem aus sie Gestalten sehen konnten, die sich vor dem Horizont bewegten. Ein paar von ihnen drehten sich um, aber keine schien sich um das Schauspiel zu kümmern, daß ein Sarazene und eine rothaarige Bogenschützin einen Riesen an der Leine führten. Als er den Kamm erreichte, sah Shea, warum. Die Straße führte bis an den Rand eines breiten terrassenförmigen Plateaus an der Bergflanke. In den Felsen, der an dieses Plateau grenzte, war ein phallisches Symbol mit einem Heiligenschein um die Spitze gemeißelt. Vor dieser einzigartigen Erektion war ein gewaltiger Scheiterhaufen errichtet, um den sich über hundert Bauern scharten.
Das Holz stand in hellen Flammen, in seiner Mitte war ein riesiger Wolf an Hals und Beinen an einen Pfahl gebunden. Die Scheite, auf denen er saß, waren bereits schiere Glut, die Flammen leckten an seinen Fesseln, aber außer der Tatsache, daß er mit heraushängender Zunge hechelte, schien der Wolf von dem ganzen Vorgang ziemlich unbeeindruckt.
Shea fiel plötzlich der Zauber ein, den Atlantes über ihn und Polacek gesprochen hatte, damit sie unversehrt durch die Flammenmauer der stählernen Festung gelangen konnten. Fast hätte er laut aufgelacht, statt dessen sagte er jedoch: »Hallo, Leute!«
Die Unterhaltungen in der Menge erstarben. Ein Mann in einem fleckigen schwarzen Umhang, der bis dahin Scheite in die Mitte des Feuers geworfen hatte, drehte sich um und kam, kurzsichtig zwinkernd, auf sie zu.
»Was geht hier vor, Vater?« fragte Shea.
Der Priester holte ein
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