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Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11

Titel: Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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in der Ecke
hing eine weiche, geblümte Haube und eine dazu passende, lange Schürze. Ich
konnte nur hoffen, dass ihre Eisdiele eine Klimaanlage besaß.
    »Ich nehme
an, Ihr Geschäft ist konstanter und weniger saisonabhängig«, meinte ich, weil
mir nichts Besseres einfiel.
    Elijah
Gleason entgegnete: »Sie werden staunen, aber wir haben mindestens zwei tote
Touristen jeden Sommer. Die müssen wir natürlich nur für die Überführung fertig
machen, aber Kleinvieh macht auch Mist.«
    Ich wusste
nicht recht, was ich darauf sagen sollte, und nickte nur. Ich schwor mir, mich
im Sommer von Sarne fernzuhalten. Irgendwie fand ich die Vorstellung peinlich,
dass sich diese Leute verkleideten, um eine Vergangenheit heraufzubeschwören,
in der das Leben heißer, stinkender, ignoranter war und die Leute Tode starben,
die sich heute leicht verhindern lassen. Frauen, die im Kindbett ihr Leben
ließen, Kinder mit Kinderlähmung, Babys mit dem falschen Rhesusfaktor, Männer,
die nach einem kleinen Missgeschick mit der Säge an einer Blutvergiftung
krepierten ... alles Dinge, die ich bei meinem kurzen Ausflug auf den Friedhof
wahrgenommen hatte. Die meisten Menschen vergessen diesen Aspekt der
Vergangenheit, wenn sie sich vorzustellen versuchen, wie das Leben wohl damals
war. Sie sehen nur die Abwesenheit jener Dinge, die sie für moderne Übel
halten, wie Abtreibung, Homosexualität, Fernsehen, Scheidung. In ihren Augen
besteht die Vergangenheit nur aus Freitagabenden, an denen man mit den Nachbarn
auf der Veranda musiziert, aus Shoofly Pies, Gospelgesang und langen,
glücklichen Ehen.
    Ich dagegen
sehe den plötzlichen, vermeidbaren Tod.
    Bald standen
wir im neuen Teil des Bestattungsinstituts, und der Geschäftsführer zeigte uns
Helen. Hollis hatte ihn darum gebeten, nicht ohne Gleason zu versichern, dass
ich angesichts der Leiche weder in Ohnmacht fallen noch mich übergeben würde.
Ich mag Bestattungsinstitute. Ich mag die Bemühungen, den Tod annehmbar und
appetitlich erscheinen zu lassen. Das Ganze kommt mir vor wie ein tröstendes
Kissen. Wie das weich gepolsterte Futter eines Sarges. Den Toten kann das im
Grunde egal sein, aber den Lebenden gibt es ein gutes Gefühl.
    Als wir auf
den Raum mit der verschlossenen Tür zugingen, wurde das Summen in meinem Kopf
immer lauter. Es steigerte sich noch zu einem schrillen Dröhnen, als ich den
hellweißen sterilen Raum betrat.
    »Ich habe
noch nicht mit ihr angefangen«, sagte Elijah Gleason. »Sie kam gerade erst aus
dem Polizeilabor. Angeblich dauert es noch Monate, bis sie die toxikologischen
Untersuchungen abgeschlossen haben, weil sie vorher noch hundert andere Fälle
abarbeiten müssen.«
    »Würden Sie
bitte draußen warten?«, bat ihn Tolliver. »Meine Schwester reagiert nämlich
manchmal höchst erstaunlich, und das könnte Sie erschrecken.«
    »Tut mir
leid«, sagte Gleason mit fester Stimme. »Helens Leichnam befindet sich in
meiner Obhut, und ich bleibe bei ihr.«
    Etwas
anderes hatte ich eigentlich auch nicht erwartet. Ich nickte und konzentrierte
mich ganz auf die Gestalt auf dem schrägen Tisch. Ich hob die Hand, um die
Männer zu bitten, nicht mehr zu sprechen.
    Ich näherte
mich Helen. Vom Hals abwärts war sie mit einem Laken bedeckt. Das Summen ihrer
Präsenz erfüllte meinen Kopf. Ihre Seele war immer noch da. Das überraschte
mich so sehr, dass ich zusammenzuckte. Dass sich die Seele drei Tage nach
Eintritt des Todes immer noch im Körper befand, obwohl die Leiche bereits
gefunden worden war, hatte ich so gut wie noch nie erlebt. Ich wusste, dass ich
weitere Informationen bekommen würde, da Helen noch nicht verwest war. Mitleid
erfüllte mich. Ein Muskel an meinem Hals begann unmerklich zu zucken. Ich
musste nicht erst nach ihr suchen, sie lag direkt vor mir. Und sie war noch
intakt.
    Der
Geschäftsführer des Bestattungsinstituts beäugte mich mit kaum verhohlener
Abneigung. »Da ist sie«, sagte ich ganz leise und sah, wie sich blankes
Entsetzen auf Gleasons Gesicht abzeichnete. Ich warf einen kurzen Blick zu
Tolliver, der verständnisvoll nickte. »Ich werde sie nur kurz berühren«,
erklärte ich Gleason. »Mit allem Respekt.«
    Ich starrte
auf Helens zusammengeschlagenes Gesicht, während sich meine Hals- und
Gesichtsmuskulatur endlich wieder entspannte. Die vielen blauen Flecken ließen
sie aussehen, als hätte sie jemand mit dunklen Farben bemalt. Unter dem Laken
nahmen meine Fingerspitzen Kontakt zu ihrer Schulter auf.
    Wie von
Weitem konnte ich mich

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