Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
was ihm zugestoßen war, aber irgendwann würde
er es bestimmt tun, wenn er sich seelisch und körperlich besser fühlte. Dann
würde er den anderen Mörder identifizieren, falls es ihn denn gab.
Doch was, wenn er
den anderen Mörder nie gesehen hatte? Was, wenn er in dem Stall gefangen
gehalten worden war, weil ihn Tom Almand, und zwar nur Tom Almand, entführt
hatte? Vielleicht war dies das erste und einzige Mal gewesen, dass Almand
seinen Sohn gezwungen hatte, ihm zu helfen. Und genau das hatte Chuck in den
Selbst mord getrieben. Vielleicht hatte Tom nicht die
Chance gehabt, von der Entführung zu erzählen, bevor er geschnappt wurde. Dann
hatte sein Komplize noch größere Chancen, ungeschoren davonzukommen.
Und Doak Garland
war es nicht. Er hatte mich nur gefragt, wo man den Jungen gefangen gehalten
hatte. Wenn er der andere Mörder gewesen wäre, hätte er es gewusst. Hätte er
nur Spuren verwischen wollen, hätte er gar nichts sagen müssen. Was spielte
meine Meinung schon für eine Rolle? Warum sollte er mir so eine Frage stellen,
außer er kannte die Antwort wirklich nicht?
Aber irgendjemand
hatte Bescheid gewusst, jemand, mit dem ich erst neulich gesprochen hatte.
Jemand hatte gesagt, der Junge sei unter dem Stall versteckt gewesen oder so
etwas Ähnliches. Wer war das gewesen? Wir hatten uns mit so vielen Menschen
unterhalten. Rain oder Manfred konnten es nicht gewesen sein, und auch niemand
von den Polizisten. Die wussten ohnehin Bescheid, und das war in Ordnung so.
Aber wer war es dann gewesen? Mit wem hatte ich gesprochen? Mit der
Bestattungsunternehmerin Cleda. Nein, sie war es nicht.
Ich saß da, die
Wagentür halb geöffnet, einen Fuß bereits am Boden. Ganz plötzlich, sodass ich
wie betäubt war, hielt ein riesiger Geländewagen neben mir. Die Tür wurde mir
aus der Hand gerissen, jemand packte mich am Arm und zog mich aus dem Wagen.
Dann traf mich eine große Hand genau dort, wo vor einiger Zeit die Schaufel auf
mich niedergesaust war, und ich wurde bewusstlos.
13
Als ich wieder zu
mir kam, befand ich mich in seinem Auto. Mein Mund war bereits mit Klebeband
verschlossen und meine Hände waren gefesselt. Seine Blitzattacke hatte mich
völlig überrascht.
Barney Simpson saß
am Steuer, fuhr rückwärts aus der Auffahrt und raste davon wie ein Irrer. Der
Geländewagen brach so stark zur Seite aus, dass ich zu Boden glitt. Ich konnte mich
nirgendwo festhalten, fiel auf meinen angebrochenen Arm, und der Schmerz
brachte mich fast um. Ich hätte geschrieen, aber einmal mehr hatte er dies
unmöglich gemacht.
Es ist furchtbar,
recht zu haben, wenn dies das Ende bedeutet.
Nach fünf Minuten
hielt er an. Ich konnte mich nach wie vor nicht rühren, versuchte aber, alle
meine Kräfte zusammenzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Twyla
wohnte in einem Vorort, vielleicht in Doravilles einzig wohlhabendem Viertel.
Eine fünfminütige Fahrt von dort aus konnte überallhin führen: in die Altstadt
oder hinaus aufs Land. Hinter Barneys Kopf sah ich das Eis auf einer Kiefer
schmelzen, einer in einer ganzen Reihe von Kiefern. Bäume gibt es in ganz North
Carolina.
»Alles war
perfekt«, sagte er. Er blickte auf mich herab, und seine große,
schwarzgeränderte Brille vergrößerte seine Augen so, dass er zu glotzen schien.
»Alles war perfekt, bis du sie gefunden hast. Ich erspähte sie im Krankenhaus
und merkte sie mir vor, oder Tom sah sie Spazierengehen oder wandern. Dann
schnappten wir sie uns und... benutzten sie.«
O Gott, dachte ich.
»Wir holten alles
aus ihnen raus, was in ihnen steckte - den Schmerz, den Sex, die Angst. Wir
verbrauchten sie, bis nichts mehr von ihnen übrig war.«
Ich erstickte
beinahe hinter dem Klebeband und rang gurgelnd nach Luft.
»Wir hatten ein
zweites Versteck, das in der Scheune, für den Fall, dass wir zwei Jungen
gleichzeitig hätten. Es war eine Art Aufbewahrungsraum, den wir allerdings nie
benutzt haben. Aber Tom konnte wohl nicht widerstehen, obwohl wir auf keinen
Fall noch einen Jungen hätten entführen dürfen.«
Nachdem er mir
klar gemacht hatte, dass ich die Schlange in seinem Paradies war, legte er den
ersten Gang ein und sah in den Rückspiegel. Er fuhr wieder auf die Straße.
»Aber Tom konnte
einfach nicht aufhören, wahrscheinlich dachte er, es wäre das letzte Mal, und
Tramper - nun, die fallen einem wie reife Äpfel in den Schoß.«
Ich konnte nicht
einfach zusammengekauert auf dem Boden liegen bleiben und Angst haben. Ich
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