Harpyien-Träume
Dämonin«, warf Wira ein.
»Nein, ich meine Dara. Glaubst du etwa, ich würde ihren Namen nicht kennen, nachdem ich ihr in der Hölle begegnet bin?«
»Aber Humfrey nennt sie immer Dana.«
»Humfrey hat noch nie allzu viel auf Einzelheiten gegeben. Dara hat sich auch nie die Mühe gemacht, ihn zu berichtigen, weil sie befürchtete, er könnte es in den falschen Hals kriegen. Für Däm o nen sind Namen nicht so wichtig wie für uns.«
»Ich glaube nicht, daß ich fünf Monate warten kann, um all seine anderen Frauen danach zu fragen«, meinte Gloha. »Ich werde ständig älter, und meine Jugend flieht dahin.«
Die Gorgone lachte. »Glaub mir, Liebes, deine Jugend wird noch lange genug vorhalten, wenn du nur deine prächtige kleine Figur wahrst.«
»Meinst du wirklich?« erwiderte Gloha, und neue Hoffnung keimte in ihr auf.
»Ganz bestimmt. Du kannst deine Jugend über mehrere Jahre hinweg retten, indem du schlicht und einfach deine blasierten kle i nen Geburtstage vor den Männern verbirgst. Das wissen alle kl u gen Frauen.«
»Und indem du auch deine Intelligenz versteckst«, fügte Wira hinzu.
»Von solchen Sachen habe ich nie gewußt«, bemerkte Gloha b e eindruckt.
»Was ja auch Teil deines Charmes ist, meine Liebe.«
»Vielleicht solltest du lieber nach Hause gehen«, schlug Wira vor, »dann werde ich die Ehefrauen fragen, wenn sie erscheinen. Und wenn wir dann in Erfahrung gebracht haben, wer sein zweiter Sohn ist, schicke ich dir eine Nachricht.«
»Danke«, antwortete Gloha dankbar. Sie sah ein, daß dies die beste und einzige Chance war, ihr Anliegen weiterzuverfolgen.
Die Gorgone servierte ihnen einen kleinen Imbiß aus lustigen Kalauerkeksen und bonbongestreifter Milch, um Gloha für den Heimflug zu stärken. Die Gorgone wirkte irgendwie unbehaglich; ihre gekringelten Schlangen japsten. Im Schloß war es warm, und unter dem dichten Schleier schien es sehr heiß zu sein.
»Wenn ich dich mal was fragen darf…«, erkundigte Gloha sich mit stockendem, kleinem Zögern.
»Aber nur zu, Liebes«, erwiderte die Gorgone und fuhr sich über die Stirn. »Was Fragen angeht, sind wir nicht so kleinlich wie der Gute Magier.«
»Warum läßt du dir vom Guten Magier nicht etwas Verschwi n decreme geben, um dein Gesicht unsichtbar zu machen…«
»Das habe ich einmal getan. Aber es war sehr umständlich, g e sichtslos durch die Gegend zu laufen. Ich mußte trotzdem einen Schleier tragen.«
»Um es dann mit der Illusion deines Gesichts zu maskieren?« b e endete Gloha ihren Satz. »Damit du genauso aussiehst wie du selbst, samt den kleinen Schlangen und allem anderen, aber ni e manden mehr versteinern läßt.«
Die Gorgone hielt inne, ihr Schleier nahm eine erstaunte Lage ein. »Oh, ja, ich glaube, das könnte funktionieren, solange ich in Xanth bin«, sagte sie. »Und ich könnte die Zauber aufheben lassen, wenn ich im Traumreich wieder meine Arbeit als Horrorschauspi e lerin antrete. Danke, Liebes. Ich werde in dieser Sache sofort Humfrey aufsuchen.« Sie stand auf und steuerte die Treppe an.
»Der wird es nicht wagen, mich anzugruffeln«, murmelte die Go r gone. »Nicht, bevor er diese Zauber herausgerückt hat.«
Wira kicherte, und Gloha schloß sich ihr an. Wenn es jemanden gab, der sich nicht vom Guten Magier einschüchtern ließ, war es die Gorgone – und das nicht nur, weil sie seine Frau war.
Sie verputzten die Kekse und tranken die Milch. Dann öffnete Wira ein Fenster, und Gloha verabschiedete sich von ihr, spreizte die Flügel und hob ab. »Komm ruhig irgendwann mal wieder vo r bei«, rief Wira ihr nach. »Wenn du ohne Frage kommst, gibt es auch keine Herausforderungen.«
»Ja, vielleicht«, rief Gloha zurück. Es war nett gewesen, eine ju n ge Frau ihres Alters aufzusuchen.
Dann schwang sie sich an den Himmel und machte sich auf den Heimflug. Es war schön, wieder in den Lüften zu sein!
Doch kurz darauf überlegte sie es sich plötzlich anders. Das war eines der Privilegien, die man als Frau genoß. Gloha hatte eine ganze Weile im Harpyiennest zugebracht, da war es an der Zeit, wieder einmal ihre Koboldverwandten zu besuchen, einschließlich ihrer Mutter Gloria Kobold. Und so änderte Gloha den Kurs und hielt auf die Spalte zu, in der die Kobolde lebten.
Schon bald war sie am Ziel. Das war auch gut so, denn der Tag wurde allmählich müde, und die Sonne schien sich kaum noch am Himmel halten zu können; jeden Augenblick würde sie die Bäume im Westen versengen, in den Ozean
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