Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
schulterlange Haare hatte. Als Kind h ä tte er eine Zahnklammer bekommen sollen; aber ein Blick reichte, um zu sehen, da ß er nicht aus einer Familie stammte, wo man auf so etwas achtete. Er trug einen goldenen Ohrring und einen gelangweilten Gesichtsausdruck. Aber es waren die Z ä hne, die Harrys Blick anzogen. Krumm und vorstehend, zeigten sie mehr als alles andere, wie kaputt sein Leben war.
» Wie alt bist du jetzt, Kerwin «, wollte Rickard wissen. » Und versuch nicht zu l ü gen. Du stehst in den Akten. Ich kann nachsehen.«
» Achtzehn. Und mit deinen Akten kannst du dir den Arsch abwischen. Die interessieren mich ’en Schei ß .«
» Oho! « rief Rickard aus. » Sieht aus, als h ä tten wir einen Erwachsenen hier. Wir werden nicht sein H ä ndchen halten m ü ssen bis zur Jugendstrafanstalt. Wir liefern ihn ins Siebentausend. Mal sehen, wie schnell er dann den schweren Jungs die Hausfrau macht.«
Das County-Untersuchungsgef ä ngnis. F ü r Erwachsene hie ß es bei den meisten Cops und Straff ä lligen Siebentausend, wegen der Nummer der dortigen Telefonvermittlung, 555-7000. Das Gef ä ngnis befand sich Downtown in den oberen Stockwerken der Hauptverwaltung des County Sheriffs und bestand aus vier Etagen L ä rm, Ha ß und Gewalt. Jeden Tag gab es eine Messerstecherei. Jede Stunde eine Vergewaltigung. Nie wurde deswegen etwas unternommen. Niemand interessierte sich daf ü r, au ß er man war derjenige, der niedergestochen oder vergewaltigt wurde. Die Sheriff’s Deputies dort nannten den Zellentrakt KME; keine Menschen enthalten. Wenn sie etwas aus dem Jungen herausbekommen wollten, hatte Rickard den richtigen Ton angeschlagen.
» Wir haben dich schon gek ö dert und an Land gezogen, Kerwin. Da sind wenigstens zwei Unzen drin. Besitz mit der Absicht zu verkaufen. Du bist weg vom Fenster.«
» Fick dich doch selbst.«
Der Junge betonte jedes einzelne Wort mit ge ü btem Sarkasmus. Er w ü rde k ä mpfend untergehen. Bosch sah, da ß Rickard die gr ü ne Bierflasche aus dem Fenster hielt, damit der Dunst sich nicht im Auto ausbreitete und Kopfschmerzen verursachte.
» Das ist aber nicht nett, Kerwin. Besonders, wenn der Typ am Steuer mit dir ins Gesch ä ft kommen will … Was mich angeht, k ö nntest du dich ruhig an die Br ü der im Siebentausend verkaufen. Nach ein paar Tagen rasierst du dir die Beine und l ä ufst in rosa Unterw ä sche herum, die sie f ü r dich mit Fruchtsaft eingef ä rbt haben.«
» Fick dich selbst, du Schwein. Ich will telefonieren.«
Sie waren auf dem Sunset Boulevard und n ä herten sich der Wilcox Avenue. Rickard hatte noch nicht mal erw ä hnt, was sie wollten, und sie waren schon fast da. Es sah nicht so aus, als ob der Typ sich auf einen Handel einlassen w ü rde – ganz egal, was sie wollten.
» Du kannst telefonieren, wenn es uns pa ß t. Jetzt bist du hart im Nehmen, white boy, aber das h ä lt nicht lange vor. Drinnen wird jeder fertig gemacht. Du wirst schon sehen. Au ß er du hilfst uns. Wir wollen nur mit deinem Kumpel Dance sprechen.«
Bosch bog in die Wilcox Avenue ab. Bis zum Revier waren es noch zwei Blocks. Der Junge antwortete nicht. Rickard lie ß das Schweigen einen Block lang in der Luft h ä ngen. Dann versuchte er es noch einmal.
» Wie ist’s. Du gibst uns eine Adresse, und ich sch ü tte das Zeug weg. Sei nicht einer von den Idioten, die glauben, das Siebentausend macht M ä nner aus ihnen. Was da abl ä uft, ist kein M ä nnlichkeitsritual. Es ist die H ö lle. Willst du da hin? «
» Ich will, da ß du tot umf ä llst.«
Bosch fuhr in die Einfahrt zum Parkplatz, der sich hinter dem Revier befand. Zuerst w ü rden sie hier die Verhaftungsformulare ausf ü llen sowie die Beweisst ü cke etikettieren und wegschlie ß en. Danach mu ß ten sie den Jungen nach Downtown bringen. Die Sache mu ß te durchgezogen werden. Er packte nicht aus. Sie mu ß ten ihm klarmachen, da ß sie nicht blufften.
12
Erst um vier Uhr in der Früh nahm Bosch seine Suche nach Porter wieder auf. Unterdessen hatte er zwei Becher Kaffee auf dem Revier getrunken. Mit dem dritten Becher in der Hand fuhr er jetzt wieder in seinem Caprice durch die Stra ß en.
Rickard hatte sich bereit erkl ä rt, Kerwin Tyge Downtown einzuliefern. Der Junge hatte den Mund gehalten. Sein Panzer aus Rebellion, Polizistenha ß und falsch verstandenem Stolz war nicht zu knacken. Auf dem Revier war es f ü r Rickard zur Herausforderung geworden, ihn kleinzukriegen. Bosch fand den Eifer,
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