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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Tat. Ich nehme Ihre Entschuldigung an, aber wir werden trotzdem später Ihre Mißachtung des Gerichts behandeln. Fahren wir fort. Ich möchte, daß die Jury nach dem Mittagessen mit der Arbeit beginnt.«
    Chandler stellte sich am Pult wieder so hin, daß sie zu den Geschworenen schaute.
    »Meine Damen und Herren, Sie haben Detective Bosch im Zeugenstand gehört. Erinnern Sie sich bitte an das, was er sagte. Er sagte, Norman Church verdiente sein Ende. Überlegen Sie, was es heißt, wenn ein solcher Satz von einem Polizisten kommt. ›Norman Church verdiente sein Ende‹. Wir haben in diesem Gerichtssaal gesehen, wie das Justizsystem funktioniert. Kontrolle und Gleichgewicht. Der Richter achtet auf die Einhaltung der Regeln, und die Jury entscheidet. Detective Bosch hat selber zugegeben, daß er das nicht für nötig hielt. Er entschied, daß kein Richter nötig war und keine Jury. Er nahm Norman Church das Recht auf Gerechtigkeit. Und damit nahm er auch Ihnen etwas. Denken Sie daran.« Sie ergriff ihren gelben Block und setzte sich.

23
    Die Geschworenen zogen sich um 11.15 Uhr zur Beratung zurück, und Richter Keyes ordnete an, daß die Federal Marshals dafür sorgen sollten, daß sie Mittagessen bekamen. Ansonsten seien sie bis 16.30 Uhr nicht zu stören, es sei denn, sie würden vorher zu einem Urteil gelangen.
    Nachdem die Geschworenen den Saal verlassen hatten, teilte der Richter den Parteien mit, daß sie innerhalb von fünfzehn Minuten nach Benachrichtigung durch den Gerichtsdiener zur Urteilsverkündigung zu erscheinen hätten. Das bedeutete, daß Chandler und Belk in ihren Büros warten konnten. Norman Churchs Familie wohnte in Burbank, also entschieden sie sich, zu Chandlers Kanzlei zu gehen. Das Hollywood-Revier war mehr als fünfzehn Minuten vom Gericht entfernt, aber zum Parker Center waren es nur fünf Minuten Fußweg. Also gab Bosch der Gerichtsdienerin seine Piepsernummer und sagte ihr, er würde dort sein.
    Als letztes mußte noch das weitere Vorgehen wegen Chandlers Mißachtung des Gerichts geregelt werden. Der Richter setzte eine Anhörung in zwei Wochen an und schlug dann mit dem Hammer auf den Tisch.
    Bevor sie den Gerichtssaal verließen, nahm Belk Bosch beiseite und sagte: »Ich glaube, wir stehen ganz gut da, aber ich bin nervös. Sollen wir noch einmal würfeln?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ich könnte noch einmal versuchen, Chandler zu ködern.«
    »Vergleichsangebot?«
    »Ja. Die Rechtsabteilung hat mir bis fünfzig freie Hand gegeben. Darüber muß ich die Zustimmung einholen. Aber ich könnte ihr die fünfzig vor die Nase halten und sehen, ob sie es annimmt.«
    »Was ist mit den Anwaltskosten?«
    »Bei einem Vergleich kriegt sie wohl einen Anteil von den fünfzig. Jemand wie sie bekommt wahrscheinlich vierzig Prozent. Das wären zwanzig Riesen für eine Woche Prozeß und eine Woche Juryauswahl. Nicht schlecht.«
    »Glauben Sie, wir werden verlieren?«
    »Ich weiß es nicht. Ich denke nur an alle Eventualitäten. Bei einer Jury weiß man nie. Fünfzig Riesen wären kein zu hoher Preis. Vielleicht beißt sie an, nachdem der Richter sie am Ende so fertig gemacht hat. Wahrscheinlich ist sie diejenige, die Angst hat zu verlieren.«
    Bosch begriff, daß Belk nichts kapiert hatte. Möglicherweise war es zu subtil für ihn. Die ganze Mißachtungsszene war Chandlers letzter Trick. Sie hatte das Vergehen bewußt begangen, damit die Geschworenen sahen, wie streng der Richter sie behandelte. Sie hatte ihnen das Rechtssystem in Aktion vorgeführt: Eine schlechte Tat wurde strikt unterbunden und bestraft. Ihre Botschaft war: Sehen Sie, dieser Behandlung konnte Bosch sich entziehen. Dieser Situation hätte Norman Church sich stellen müssen, hätte Bosch sich nicht zum Richter und Henker gemacht.
    Es war clever, vielleicht zu clever. Je mehr Bosch darüber nachdachte, fragte er sich, ob der Richter dabei mitgespielt hatte. Er schaute Belk an. Der junge Anwalt der städtischen Rechtsabteilung hatte anscheinend keinen Verdacht. Statt dessen betrachtete er das als dicken Punkt für seine Seite. Vielleicht würde er es in zwei Wochen kapieren, wenn der Richter sie mit einer Strafe von hundert Dollar laufen ließ, nachdem er ihr in der Anhörung die Leviten gelesen hatte.
    »Tun Sie, was Sie wollen«, sagte er zu Bosch. »Aber sie wird nicht zugreifen. Bei diesem Fall wird sie nicht vorher aussteigen.«
     
    Im Parker Center ging Bosch vom Flur aus direkt in Irvings Konferenzzimmer. Irving hatte tags zuvor

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