Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
draußen herum. Aber in den letzten vier Jahren, seit sie dem Jünger entkommen konnte, hatte Georgie Stern nicht viel Glück.«
»Was ist passiert?«
»Nach ihrer Akte zu urteilen, und was ich von unseren Leuten auf Nuttenpatrouille gehört habe, hat sie mit Heroin angefangen. Seitdem sieht sie wahrscheinlich zu heruntergekommen aus, um Filme zu machen. Wer will schon einen Film – sehen mit einem Mädchen, das überall Einstichmale hat. Das ist das Problem, wenn du ein Fixer in dem Geschäft bist. Du bist nackt und kannst nichts verbergen.
Ich hab’ auch mit Mora gesprochen. Routinegespräch, um ihn wissen zu lassen, daß ich sie suche. Von ihm habe ich den Tip, daß die Nadel der schnellste Weg ist, sich aus dem Geschäft zu katapultieren. Aber sonst wußte er nichts. Meinst du, es war richtig, mit ihm zu sprechen?«
Bosch dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Ja, doch. Er darf keinen Verdacht schöpfen. Die beste Methode ist, so zu tun, als wisse er so viel wie wir. Wenn du ihn nicht gefragt hättest und er hätte von einem seiner Informanten oder von einem Kollegen gehört, daß du nach ihr suchst, würde er uns auf die Schliche kommen.«
»Ja, das habe ich mir auch gedacht. Also habe ich ihn heute morgen angerufen und kurz ein paar Fragen gestellt. Soweit er weiß, sind wir beiden die einzigen, die an dem Fall arbeiten. Von der Fahndungsgruppe weiß er nichts. Bis jetzt.«
»Das einzige Problem, das sich daraus ergeben könnte, ist, daß er jetzt eventuell selbst nach ihr sucht. In der Hinsicht müssen wir vorsichtig sein. Sag den Observierungsleuten Bescheid.«
»Ja, mach ich. Das wäre eine Aufgabe für Hans. Du solltest ihn am Funkgerät erleben. Er hört sich an wie ein Oberpfadfinder.«
Bosch lächelte. Er konnte sich gut vorstellen, daß Rollenberger sich strikt an den Funkcode hielt.
»Auf alle Fälle ist sie aus dem Grund nicht mehr im Pornogeschäft«, sagte Edgar. »In den letzten drei Jahren hat sie einige ungedeckte Schecks geschrieben, ist wegen Drogenbesitz und einigemal wegen Prostitution verhaftet worden, außerdem wegen Einnahme von Rauschgift. Rein und raus aus dem Knast. Sie hat immer ihre Strafe abgesessen, nie sehr viel. Zwei oder drei Tage. Nicht genug, um ihr beim Entzug zu helfen.«
»Also, wo arbeitet sie?«
»Im Valley. Ich habe den ganzen Morgen am Telefon mit der Sitte vom Valley verbracht. Angeblich ist sie meistens mit den anderen Straßenprofis auf dem Sepulveda Boulevard.«
Bosch erinnerte sich an die Frauen, die er an dem Nachmittag gesehen hatte, als er auf der Suche nach Cerrone, Rebecca Kaminskis Manager und Zuhälter war. Er fragte sich, ob er Georgia Stern gesehen oder sogar mit ihr gesprochen hatte, ohne es zu wissen.
»Was ist?«
»Nichts. Ich war vor ein paar Tagen dort und frage mich, ob ich sie gesehen habe. Verstehst du? Ohne zu wissen, wer sie ist. Wußten die im Sittendezernat, ob sie Schutz hat?«
»Nee, sie haben von keinem Zuhälter gehört. Sie muß ziemlich heruntergekommen sein. Die meisten Zuhälter haben bessere Pferdchen.«
»Hält die Sitte nach ihr Ausschau?«
»Noch nicht«, sagte Edgar. »Sie haben heute Schulung, aber sie werden morgen abend auf dem Sepulveda Boulevard sein.«
»Neuere Fotos?«
»Ja.«
Edgar griff in seine Jackentasche und holte ein Stapel Fotos heraus. Es waren Abzüge eines Polizeifotos. Georgia Stern sah wirklich verbraucht aus. Ihr blond gebleichtes Haar war an den Wurzeln einige Zentimeter dunkel. Die Ringe unter ihren Augen waren so tief, als wären sie mit einem Messer eingekerbt. Ihre Wangen waren hohl und ihr Blick gläsern. Sie hatte Schwein gehabt und sich eine Spritze gesetzt, bevor sie verhaftet wurde. Der Schmerz und das Warten auf die nächste Dosis würden so kürzer sein.
»Das ist drei Monate alt. Einnahme von Rauschgift. Zwei Tage in Sybil und wieder raus.«
Sybil-Brand-Institut war das County-Gefängnis für Frauen. Die Hälfte der Zellen waren so eingerichtet, daß Rauschgiftsüchtige dort untergebracht werden konnten.
»Das mußt du hören«, sagte Edgar. »Ich hatte es vergessen. Ein Dean vom Sittendezernat im Valley sagt, er hätte sie festgenommen, und als er sie aufs Revier brachte, fand er bei ihr eine Flasche mit Puder. Es war ein legal verschriebenes Medikament. AZT, du weißt, gegen Aids. Sie hat den Virus und arbeitet auf dem Strich. Auf dem Sepulveda Boulevard. Er hat sie gefragt, ob sie auf Kondomen besteht, und sie hat geantwortet: ›Nicht, wenn sie nicht
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