Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
konnte.
Sie studierte das Phantombild lange.
»Er wurde von den Cops getötet«, sagte sie. »Er verdiente es.«
Bosch fühlte sich bestätigt, daß der Puppenmacher sein Ende verdient hatte – auch wenn es von jemandem wie ihr kam. Aber er wußte etwas, das sie nicht wußte, daß sie es hier nicht mit dem Puppenmacher zu tun hatten.
»Wir zeigen Ihnen jetzt ein paar Bilder. Hast du das Sechserpack, Jerry?«
Sie sah abrupt auf, und Bosch begriff seinen Fehler. Sie dachte, er spräche von Bier. Aber Cops meinen mit Sechserpack sechs Polizeifotos, die Opfern und Zeugen vorgelegt werden. Normalerweise zeigen sie fünf Polizisten und einen Verdächtigen; wobei man hofft, daß der Zeuge auf den Verdächtigen deutet. Diesmal enthielt das Sechserpack sechs Fotos von Polizisten. Moras war das zweite.
Bosch breitete sie vor ihr auf dem Tisch aus, und sie betrachtete sie lange. Dann lachte sie.
»Was?« fragte Bosch.
Sie zeigte auf das vierte Foto.
»Ich glaube, ich habe ihn einmal gefickt. Aber ich dachte, er ist ein Cop.«
Bosch sah Edgar den Kopf schütteln. Sie hatte auf einen verdeckten Drogenfahnder vom Hollywood-Revier namens Arb Danforth gezeigt. Falls sie sich korrekt erinnerte, dann wilderte Danforth manchmal im Valley und zwang Prostituierte zum Geschlechtsverkehr. Bosch nahm an, daß er ihnen dafür Heroin gab, das er aus den Plastiktüten für Beweismaterial stahl oder das er direkt Verdächtigen abnahm. Was sie gerade gesagt hatte, war eigentlich in einem Bericht an Interne Ermittlungen weiterzugegeben. Aber ohne ein Wort zu wechseln, wußten Edgar und Bosch, daß sie es nicht tun würden. Es wäre gleichbedeutend mit Selbstmord. Kein Polizist auf der Straße würde ihnen je wieder trauen. Bosch wußte jedoch, daß Danforth verheiratet war und daß die Prostituierte AIDS hatte. Er beschloß, Danforth einen anonymen Brief zu schicken, damit er sich einem Bluttest unterzog.
»Was ist mit den anderen, Georgia?« sagte Bosch. »Sehen Sie sich die Augen an. Augen verändern sich nicht, auch wenn sich jemand maskiert. Sehen Sie sich die Augen an.«
Während sie sich tiefer hinabbeugte, um die Bilder von nahem zu sehen, schaute Bosch Edgar an, der den Kopf schüttelte. Das hier würde nichts bringen, Bosch nickte. Nach einer Minute fuhr ihr Kopf ruckartig nach oben; sie wäre beinahe eingeschlafen.
»Okay, Georgia, nichts da, oder?«
»Nein.«
»Sie sehen ihn nicht.«
»Nein. Er ist tot.«
»Okay, er ist tot. Sie bleiben hier. Wir gehen mal eben raus und besprechen was. Wir sind gleich zurück.«
Draußen beschlossen sie, daß es sich lohnen könnte, sie wegen Rauschmittelgebrauchs ins Sybil-Brand einzuweisen und es morgen noch einmal zu versuchen, wenn sie nicht mehr high war. Bosch merkte, wie sehr Edgar darauf erpicht war, sie nach Downtown ins Sybil zu bringen. Bosch wußte, daß es Edgar dabei um die Überstunden ging. Er meldete sich nicht etwa freiwillig dafür, weil ihm daran gelegen war, daß die Frau in den Entzugstrakt kam und eine Weile ohne Drogen lebte. Mitgefühl hatte nichts damit zu tun.
26
Sylvia hatte die schweren Vorhänge vor den Jalousien im Schlafzimmer zugezogen, und es blieb dunkel, lange nachdem die Sonne am Samstagmorgen aufgegangen war. Als Bosch allein in ihrem Bett aufwachte, griff er nach seiner Uhr auf dem Nachttisch und sah, daß es schon elf war. Er hatte geträumt, aber als er aufwachte, glitt der Traum wieder in die Finsternis zurück und war nicht mehr zu fassen. Fast fünfzehn Minuten lag er noch da und versuchte, sich zu erinnern, vergeblich.
Alle paar Minuten hörte er, wie Sylvia irgendwelche Geräusche in der Küche machte. Sie fegte den Boden, räumte die Geschirrspülmaschine aus. Er merkte, daß sie sich bemühte, leise zu sein, aber er hörte sie trotzdem. Die Hintertür wurde geöffnet und die Topfpflanzen auf der Veranda gegossen. Seit mindestens sieben Wochen hatte es nicht mehr geregnet.
Um 11.20 Uhr klingelte das Telefon, und Sylvia nahm den Hörer nach dem ersten Läuten ab. Seine Muskeln spannten sich an, während er darauf wartete, daß sich die Schlafzimmertür öffnete und er zum Telefon gerufen wurde. Als sie vor sieben Stunden das Revier in Van Nuys verlassen hatten, hatte er Edgar Sylvias Telefonnummer gegeben.
Aber Sylvia erschien nicht, und als er sich wieder entspannte, konnte er Teile des Gesprächs mitbekommen. Sie schien einem Schüler Rat zu geben. Nach einer Weile hörte es sich an, als ob sie weinte.
Bosch stand auf, zog seine
Weitere Kostenlose Bücher