Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
einen Plan hast du dann?«
»Ich dachte, du biegst nach links zum Roscoe Boulevard ab und fährst von hinten in das Gäßchen. Du wartest dort und versteckst dich. Ich geh’ rüber und lach’ sie mir an. Sie wird dann mit mir nach hinten gehen. Dort schnappen wir sie uns. Aber paß auf ihren Mund auf. Vielleicht spuckt sie.«
»Okay, bringen wir’s hinter uns.«
Zehn Minuten später parkte Bosch in dem Gäßchen und war auf seinem Sitz heruntergerutscht, als Edgar die Straße entlang kam. Allein.
»Was ist passiert?«
»Sie hat gemerkt, was ich bin.«
»Scheiße, Mann, warum hast du sie nicht einfach mitgenommen. Wenn sie dich als Polizisten erkannt hat, können wir nichts tun. Sie wird es mir auch ansehen, wenn ich es fünf Minuten später versuche.«
»Okay, sie hat mich nicht als Polizisten erkannt.«
»Was ist hier eigentlich los?«
»Sie wollte nicht mitkommen. Sie fragte mich, ob ich braunen Zucker hätte. Als ich sagte, ich hätte keine Drogen, antwortete sie, sie gibt sich nicht mit farbigen Schwänzen ab. Hältst du das für möglich? Seit meiner Kindheit in Chicago bin ich nicht mehr Farbiger genannt worden.«
»Reg dich nicht auf. Warte hier, ich gehe.«
»Gottverdammte Hure.«
Bosch stieg aus und sagte über das Wagendach hinweg: »Edgar, reg dich ab. Um Gottes willen, es ist eine Hure und ein Junkie. Gibst du vielleicht was auf ihre Meinung?«
»Harry, du weißt nicht, wie es ist. Hast du gemerkt, wie Rollenberger mich ansieht. Ich wette, er zählt jedesmal die Rover, wenn ich den Raum verlasse. Deutsches Arschloch.«
»Okay, du hast recht. Ich weiß nicht, wie’s ist.«
Er zog seine Jacke aus und warf sie ins Auto. Dann machte er die oberen drei Knöpfe auf und ging zur Straße.
»Ich bin gleich zurück. Besser, du versteckst dich. Wenn sie einen Farbigen sieht, kommt sie vielleicht nicht mit.«
Auf dem Revier in Van Nuys ließen sie sich einen Vernehmungsraum geben. Bosch kannte sich in dem Gebäude aus, weil er hier am Raub-Tisch gearbeitet hatte, nachdem er seine Dienstmarke als Detective bekommen hatte.
Gleich am Anfang wurde ihnen klar, daß der Mann, mit dem Georgia Stern vor ein paar Stunden ins Gäßchen gegangen war, kein Kunde gewesen war. Er war ein Dealer gewesen, und sie hatte sich wahrscheinlich einen Schuß gesetzt. Vielleicht hatte sie dafür mit Sex bezahlt, aber es war trotzdem ein Dealer und kein Kunde.
Abgesehen davon, wer er gewesen war und was sie getan hatte, war sie beim Einnicken, als Bosch und Edgar sie hierherbrachten, und daher fast unbrauchbar. Ihre Pupillen waren erweitert und ihr Blick weggetreten. Ab und zu fixierten ihre Augen irgend etwas in der Distanz. Sogar in dem zehn Quadratmeter kleinen Zimmer sah es aus, als würde sie etwas anstarren, das eine Meile entfernt war.
Ihr Haar war ungekämmt und der schwarze Haaransatz war breiter als auf dem Foto, das Edgar hatte. Unter dem linken Ohr war ihre Haut wund wie bei vielen Süchtigen, die ständig nervös an der gleichen Stelle rieben. Die Oberarme waren so dünn wie die Beine des Stuhls, auf dem sie saß. Ihr heruntergekommener Zustand wurde durch ihr Hemd, das mehrere Nummern zu groß war, betont. Der Ausschnitt gab oben ihre Brüste frei und Bosch sah, daß sie die Venen an ihrem Hals benutzte, wenn sie sich Heroin spritzte. Trotz ihres abgemagerten Zustands waren ihre Brüste groß und voll. Brustimplantate, riet er, und für einen Moment sah er vor seinem inneren Auge den vertrockneten Körper der Beton-Blondine.
»Miss Stern«, begann Bosch. »Georgia? Wissen Sie, warum Sie hier sind? Erinnern Sie sich, was ich Ihnen im Auto gesagt habe.«
»Ischernimmermisch.«
»Okay, erinnern Sie sich an die Nacht, als der Mann versuchte, Sie umzubringen? Mehr als vier Jahre her? In so einer Nacht? Am siebzehnten Juni. Erinnern Sie sich?«
Sie nickte wie in Trance, und Bosch fragte sich, ob sie begriff, wovon er sprach.
»Der Puppenmacher, erinnern Sie sich?«
»Er’st tot.«
»Das ist richtig, aber wir müssen Ihnen trotzdem über den Mann noch ein paar Fragen stellen. Sie haben uns bei einem Bild geholfen, erinnern Sie sich?«
Bosch faltete das Phantombild auf, das er aus den Puppenmacher-Akten genommen hatte. Die Zeichnung ähnelte weder Church noch Mora; vom Puppenmacher war jedoch bekannt, daß er sich maskierte. Es konnte also sein, daß der Nachahmungstäter es auch tat. Trotzdem war es möglich, daß sie sich an irgendein Detail, wie zum Beispiel Moras durchdringenden Blick, erinnern
Weitere Kostenlose Bücher