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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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gefolterten Körper Honey Chandlers, und keinerlei Tricks oder Kopfspielchen konnten ihn vor dem fürchterlichen Anblick schützen, der sich ihm in die Seele brannte. Zum ersten Mal in all seinen Jahren als Ermittler bei Mordfällen wollte er seine Augen schließen und einfach weggehen.
    Aber er tat es nicht. Statt dessen blieb er bei den anderen Männern stehen, die mit toten Augen und nonchalanter Pose nach unten schauten. Wie eine Versammlung von Serienmördern. Er mußte plötzlich an die Bridgepartien im San Quentin denken, von denen Locke ihm erzählt hatte. Ein Quartett von Psychopathen, das um einen Tisch saß, auf dem weniger Karten lagen, als sie Menschen umgebracht hatten.
    Chandler lag mit dem Gesicht nach oben, ihre Arme an der Seite ausgestreckt. Ihr Antlitz war grell mit Make-up bemalt, das viel von der bläulich-roten Verfärbung überdeckte, die sich vom Hals nach oben ausdehnte. Ein Lederriemen, der von einer Handtasche, die halb ausgeleert auf dem Fußboden lag, geschnitten worden war, war straff um ihren Hals geschnürt und an der rechten Seite verknotet. Als wäre er von einem Linkshänder zusammengezogen worden. Wie bei den vorherigen Fällen hatte der Mörder alle Fesseln und Knebel, die er benutzt hatte, wieder mitgenommen.
    Aber es gab etwas, was nicht ins Programm paßte. Bosch merkte, daß der Nachahmungstäter improvisierte, da er nicht mehr unter der Tarnung des Puppenmachers operierte. Chandlers Körper war übersät mit Brandmalen von Zigaretten und Bißwunden. Einige von ihnen hatten geblutet und andere zeigten veilchenblaue Blutergüsse, was bedeutete, daß die Tortur stattgefunden hatte, als sie noch am Leben war.
    Rollenberger befand sich im Zimmer und gab Anweisungen; er sagte sogar dem Fotografen, aus welchen Winkeln er Aufnahmen machen sollte. Nixon und Johnson standen ebenfalls dort. Bosch ging der Gedanke durch den Kopf, den auch Chandler wohl noch gehabt hatte, daß die letzte Schmach darin bestand, daß ihr unbedeckter Körper hier stundenlang vor den Augen der Männer lag, die sie im Leben verachtet hatten. Nixon sah auf und entdeckte Bosch im Flur, dann kam er heraus.
    »Harry, wie bist du darauf gekommen?«
    »Sie erschien heute nicht im Gericht. Ich dachte, man sollte es überprüfen. Anscheinend war sie die Blondine. Es tut mir leid, daß ich es nicht gleich gemerkt habe.«
    »Ja.«
    »Haben wir die TZ?«
    »Ja, eine Schätzung. Der technische Assistent von der Gerichtsmedizin meint, sie ist vor mindestens achtundvierzig Stunden gestorben.«
    Bosch nickte. Das bedeutete, daß sie bereits tot war, bevor er das Schreiben gefunden hatte. Der Gedanke erleichterte ihn etwas.
    »Etwas von Locke gehört?«
    »Nichts.«
    »Bist du und Johnson für den Fall zuständig?«
    »Ja. Hans Guck-in-die-Luft hat uns darauf angesetzt. Edgar hat sie gefunden, aber er ist zuständig für die Beton-Blondine. Ich weiß, du bist als erster darauf gekommen, aber Hans dachte wohl wegen des Prozesses und …«
    »Ist schon gut. Was soll ich tun?«
    »Das kannst du dir aussuchen. Was willst du tun?«
    »Ich will da nicht rein. Ich mochte sie nicht, aber ich mochte sie – wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ich glaub’ schon. Ja, sie sieht ziemlich übel aus. Hast du gesehen, er ändert sein Verhalten. Er beißt jetzt und hat dem Opfer Brandwunden zugefügt.«
    »Ja, ich hab’s bemerkt. Gibt’s noch was Neues?«
    »Wir konnten nichts anderes feststellen.«
    »Ich werde mich im Haus umsehen. Ist es sauber?«
    »Wir hatten noch keine Zeit, nach Fingerabdrücken zu sehen. Benutz Handschuhe und sag mir, was du findest.«
    Bosch ging zu einer der Ausrüstungskisten, die an der Wand im Flur standen, und zog ein Paar Handschuhe aus einer Schachtel, die wie ein Papierhandtuchautomat aussah.
    Auf der Treppe ging Irving wortlos an ihm vorbei. Sie schauten sich nur für den Bruchteil einer Sekunde an. Als er unten war, sah er zwei Deputy Chiefs, die auf den Eingangsstufen standen. Sie taten nichts, sie standen nur da und hofften, daß sie mit ihrem ernsten und besorgten Gesichtsausdruck für die Fernsehnachrichten gefilmt würden. Bosch stellte fest, daß die Zahl der Reporter und Kameraleute hinter dem Absperrungsband größer geworden war.
    Er schaute sich um und fand Chandlers kleines Büro, das vom Wohnzimmer abging. An zwei Wänden waren eingebaute Regale angebracht, die voller Bücher standen. Der Raum hatte ein Fenster, von dem aus man den ganzen Rummel jenseits des Rasens im Vorgarten

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