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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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draußen zum Parkplatz. Unterwegs hielt er die Tür auf für zwei Cops, die sich bemühten einen Betrunkenen in Handschellen, unter Kontrolle zu bringen. Der Betrunkene versuchte ihn zu treten, Harry gelangte jedoch mit einem Schritt außer Reichweite.
    Er fuhr mit dem Caprice Richtung Norden und nahm dann die Outpost Road bis zum Mulholland Drive, auf dem er zum Woodrow Wilson Drive gelangte. Nachdem er seinen Wagen auf dem überdachten Einstellplatz geparkt hatte, blieb er lange mit den Händen am Steuer sitzen. Er dachte an die Briefe und das Zeichen, mit dem der Puppenmacher jede Leiche signiert hatte, das Kreuz auf dem Zehennagel. Nachdem Church tot war, waren sie darauf gekommen, was es bedeutete. Das Kreuz war der Glockenturm gewesen. Der Turm einer Kirche – Churchs Name.

5
    Am nächsten Morgen saß Bosch auf der Terrasse hinter seinem Haus und beobachtete, wie die Sonne über dem Cahuenga Pass aufging. Der Frühnebel löste sich auf und fiel als Tau auf die Wildblumen, die auf dem Hang wuchsen, welcher im vorigen Winter abgebrannt war. Er genoß die Aussicht, rauchte und trank Kaffee, bis der Verkehrslärm auf dem Hollywood Freeway zu einem ununterbrochenen Zischen angeschwollen war.
    Er zog seinen dunkelblauen Anzug und ein weißes Hemd mit geknöpften Kragenspitzen an. Während er sich eine rötlich braune Krawatte mit kleinen, goldenen Gladiatorenhelmen vor dem Badezimmerspiegel umband, fragte er sich, was für einen Eindruck er auf die Jury machte. Gestern hatte er bemerkt, daß jeder der Geschworenen weggesehen hatte, sobald Augenkontakt da war. Was bedeutete das? Er hätte gern Belk gefragt, aber er mochte Belk nicht und wußte, es würde ihm peinlich sein, ihn nach seiner Meinung zu irgend etwas zu fragen.
    Nachdem er ein schon vorhandenes Loch in seiner Krawatte gefunden hatte, befestigte er dort eine silberne Krawattennadel, in die die Zahl 187 geprägt war – der Strafgesetzparagraph für Mord. Mit einem Plastikkamm scheitelte er sein braun-graues Haar, das noch feucht vom Duschen war, und kämmte dann seinen Schnurrbart. Danach träufelte er ein paar Visine-Tropfen in die Augen und beugte sich nach vorne, um sie zu mustern. Sie waren rot, weil er wenig geschlafen hatte, und die Iris so dunkel wie Eis auf dem Asphalt. Warum wandten sie ihre Blicke von ihm, fragte er sich erneut. Ihm fiel ein, wie ihn Chandler gestern beschrieben hatte. Und er begriff, warum.
    Mit der Aktentasche in der Hand war er auf dem Weg zur Tür, als sie sich öffnete. Sylvia zog ihren Schlüssel aus dem Schloß und trat herein.
    »Hallo«, sagte sie lächelnd, als sie ihn sah. »Ich habe gehofft, ich würde dich noch erwischen.«
    Sie trug Khakihosen und ein rosa Hemd mit geknöpften Kragenspitzen. Er wußte, daß sie dienstags und donnerstags keine Kleider trug, weil sie Schulhofaufsicht hatte. Manchmal mußte sie Schülern hinterherrennen und manchmal mußte sie bei Prügeleien einschreiten. Die Sonne, die durch die Verandatür fiel, vergoldete ihr dunkles Haar.
    »Wobei erwischen?«
    Noch immer lächelnd trat sie auf ihn zu, und sie küßten sich.
    »Ich weiß, ich halte dich auf. Ich werde mich auch verspäten. Aber ich wollte vorbeikommen und dir für den heutigen Tag Glück wünschen, auch wenn du es nicht brauchst.«
    Er hielt sie fest und roch ihr Haar. Fast ein Jahr war vergangen, seitdem sie sich kennengelernt hatten, und Bosch klammerte sich manchmal immer noch an sie, als könne sie sich abrupt abwenden und ihn mit den Worten verlassen, daß sie sich in ihren Gefühlen für ihn getäuscht hätte. Vielleicht war er immer noch Ersatz für den Ehemann, den sie verloren hatte, einem Cop wie Harry, dessen scheinbaren Selbstmord Bosch untersucht hatte.
    Ihre Beziehung hatte sich soweit entwickelt, daß sie ganz und gar vertraut miteinander waren. Seit ein paar Wochen hatten sie jedoch beide das Gefühl, daß sie einen toten Punkt erreicht hatten. Sie hatte gesagt, das Problem läge darin, daß er sich nicht ganz öffnen könne, und er wußte, daß sie recht hatte. Bosch hatte immer alleine gelebt, wenn auch nicht unbedingt einsam. Er hatte Geheimnisse, viele von ihnen zu tief verborgen, um sie ihr zu verraten. Nicht so bald.
    »Danke, daß du vorbeigekommen bist«, sagte er. Er lehnte sich zurück, um das Licht auf ihrem Gesicht zu sehen. Ein winziges Stückchen Lippenstift klebte auf einem ihrer Vorderzähne. »Sei heute vorsichtig auf dem Schulhof, ja?«
    »Ja.« Dann runzelte sie die Stirn. »Ich weiß, was du

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