Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Blond?«
»Zumindest als sie starb. Gebleicht. Aber frag mich nicht, ob ich die Vermißtenmeldungen nach einer weißen Blondine durchgegangen bin, die vor vier Jahren verschwand. Ich kann Überstunden gebrauchen, aber die Beschreibung trifft mindestens auf drei- oder vierhundert Fälle zu. Ich werde mich nicht durch den Papierberg kämpfen, wenn ich morgen wahrscheinlich über die Fingerabdrücke einen Namen bekomme. Zeitverschwendung.«
»Ich weiß, ich wünschte nur …«
»Du wünschtest, du hättest ein paar Antworten. Wir alle tun das. Aber manche Dinge brauchen ihre Zeit, Harry.«
Edgar begann wieder zu tippen, und Bosch sah erneut in den Hefter, konnte sich jedoch nicht das Bild der Totenmaske aus dem Kopf schlagen. Kein Name, kein Beruf. Sie wußten nichts von ihr. Aber irgend etwas an dem Gipsabdruck sagte ihm, daß sie in das Muster des Puppenmachers paßte. Ihr Gesicht wies eine Härte auf, die nichts mit dem Material zu tun. Sie hatte am Abgrund gestanden.
»Habt ihr noch etwas in dem Beton gefunden, nachdem ich ging?«
Edgar hörte wieder auf zu tippen und atmete hörbar aus. Er schüttelte den Kopf. »Was meinst du, so etwas wie die Zigarettenschachtel?«
»Bei den anderen hat er immer die Handtaschen liegen lassen. Den Riemen hat er vorher abgeschnitten, um sie zu erwürgen. Aber wenn er die Leichen irgendwo hingeschafft hat, haben wir in der Nähe immer Handtaschen und Kleider gefunden. Das einzige, was fehlte, war ihr Make-up. Das hat er behalten.«
»Diesmal nicht – wenigstens nicht im Beton. Ein Polizist hat auf Pounds Befehl hin den Rest des Aufstemmens überwacht. Es wurde nichts mehr gefunden. Vielleicht wurde das Zeug im Lagerraum aufbewahrt und verbrannte oder wurde geplündert. Glaubst du, es war ein Nachahmungstäter?«
»Wahrscheinlich.«
»Ja, ich auch.«
Bosch nickte und entschuldigte sich bei Edgar für die Unterbrechungen. Dann studierte er weiter die Berichte. Kurze Zeit später rollte Edgar das Formular aus der Maschine und kam zum Mord-Tisch herüber, wo er es mit ein paar anderen Blättern vom heutigen Tage in einem neuen Mordbuch abheftete. Nachdem der Hefter in einem Karteischrank verschwunden war, machte er den Routineanruf bei seiner Frau und richtete dabei seine Schreibunterlage, den Dorn für Nachrichtenzettel und seinen Nachrichtenblock aus. Er teilte seiner Frau mit, daß er auf dem Nachhauseweg noch irgendwo vorbeifahren müsse. Beim Zuhören mußte Bosch an Sylvia Moore denken und an die täglichen Rituale, die zwischen ihnen beiden entstanden waren.
»Ich geh’, Harry«, sagte Edgar nach dem Auflegen.
Bosch nickte.
»Warum hängst du hier noch herum?«
»Ich weiß nicht. Ich schau mir das Zeug hier an, damit ich weiß, was ich im Zeugenstand erzähle.«
Das war gelogen. Er benötigte nicht die Mordbücher, um sein Gedächtnis aufzufrischen.
»Mach Kleinholz aus ihr, Harry.«
»Money Chandler wird wahrscheinlich mich auseinandernehmen. Sie ist gut.«
»Nun, ich muß jetzt los. Bis dann.«
»He, vergiß nicht, falls du morgen den Namen weißt, verständige mich über den Piepser.«
Nachdem Edgar gegangen war, sah Bosch auf die Uhr – es war fünf – und schaltete den Fernseher an. Er stand auf dem Karteischrank neben der Schachtel mit dem Gesichtsabdruck. Während er auf die Story über den Leichenfund wartete, rief er Sylvia zu Hause an.
»Ich werde es nicht schaffen, heute abend rauszukommen.«
»Harry, was ist passiert? Wie ist es im Gericht gelaufen?«
»Es hat nichts mit dem Prozeß zu tun, es ist ein anderer Fall. Eine Leiche wurde heute gefunden. Sieht so aus, als wäre es der Puppenmacher gewesen. Wir haben auf dem Revier einen Brief erhalten, der behauptet, ich hätte den falschen getötet. Der wahre Puppenmacher würde noch frei herumlaufen.«
»Könnte das stimmen?«
»Ich weiß nicht. Bis heute bestanden keine Zweifel.«
»Wie könnte …«
»Wart mal, die Story kommt jetzt im Fernsehen. Kanal 2.«
»Ich schalt’s ein.«
Auf separaten Fernsehern, aber verbunden durchs Telefon, schauten sie den Bericht in den Frühnachrichten an. Der Nachrichtensprecher erwähnte nichts vom Puppenmacher. Eine Luftaufnahme war zu sehen und dann ein paar Sätze von Pounds, der erklärte, daß man im Moment wenig wisse und die Leiche aufgrund eines anonymen Hinweises gefunden worden sei. Harry und Sylvia lachten beide, als sie Pounds dreckverschmierte Stirn sahen. Das Lachen tat Bosch gut. Nach dem Bericht wurde Sylvia ernst.
»Er hat also den
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