Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Schulbildung?«
»Nein.«
»Mr. Church war Diplom-Ingenieur für Maschinenbau, nicht wahr?«
»Was hatte er dann in dem Raum zu suchen?« sagte Lloyd wütend. »Warum war das Make-up der Opfer dort? Warum …«
»Beantworten Sie die Fragen, die Ihnen gestellt werden, Lieutenant«, unterbrach ihn Richter Keyes. »Stellen Sie nicht selbst Fragen, das ist nicht Ihre Aufgabe hier.«
»Entschuldigung, Euer Ehren«, sagte Lloyd. »Ja, er war Diplom-Ingenieur. Ich weiß nicht genau auf welchem Gebiet.«
»Als Sie gerade vom Thema abwichen, erwähnten Sie Make-up. Wovon sprechen Sie?« fragte Chandler.
»In dem Apartment über der Garage, in dem Church getötet wurde, wurde Make-up im Toilettenschrank gefunden, das von neun der Opfer stammte. Das war eine direkte Verbindung zu diesen Morden. Neun von elf – das war überzeugend.«
»Wer fand das Make-up dort?«
»Harry Bosch.«
»Als er allein dorthin ging und ihn tötete.«
»Ist das eine Frage?«
»Nein, Lieutenant, ich ziehe Sie zurück.«
Sie machte eine Pause, um das auf die Jury einwirken zu lassen, und blätterte durch ihre gelben Seiten.
»Lieutenant Lloyd, berichten Sie uns von der Nacht. Was passierte?«
Lloyd erzählte die Geschichte, wie sie ein Dutzend Mal schon erzählt worden war. Im Fernsehen, in den Zeitungen, in Bremmers Buch. Es war Mitternacht, als Team B gerade die Schicht beendet hatte und das Telefon der Fahndungsgruppe klingelte. Bosch nahm den Anruf, den letzten in dieser Nacht, entgegen. Eine Straßenprostituierte namens Dixie McQueen sagte, sie sei gerade dem Puppenmacher entkommen. Bosch machte sich allein auf den Weg, weil die anderen schon nach Hause gegangen waren, und er dachte, es wäre wahrscheinlich eine weitere falsche Fährte. Er holte die Frau mit seinem Wagen an der Ecke Hollywood Boulevard und Western Avenue ab und ließ sich von ihr den Weg nach Silverlake zeigen. Auf der Hyperion Street überzeugte sie ihn, daß sie vor dem Puppenmacher geflüchtet war, und deutete auf die erleuchteten Fenster eines Apartments über einer Garage. Bosch ist allein hinaufgegangen. Kurze Zeit später war Norman Church tot.
»Er trat die Tür ein?« fragte Chandler.
»Ja. Es bestand die Befürchtung, daß der Verdächtige sich Ersatz für die geflüchtete Prostituierte besorgt hatte.«
»Rief er ›Polizei‹?«
»Ja.«
»Woher wissen Sie das?«
»Er hat es ausgesagt.«
»Haben es irgendwelche Zeugen gehört?«
»Nein.«
»Miss McQueen, die Prostituierte?«
»Nein. Bosch ließ sie im Wagen auf der Straße warten, falls es Trouble geben sollte.«
»Sie sagen also, wir haben nur das Wort von Detective Bosch, daß er befürchtete, es gäbe ein anderes Opfer, daß er sich als Polizist zu erkennen gab und daß Mr. Church eine bedrohliche Bewegung zum Kissen machte.«
»Ja«, sagte Lloyd widerwillig.
»Ich sehe, Lieutenant Lloyd, daß Sie selbst ein Toupet tragen.«
Es gab unterdrücktes Lachen auf den Zuschauerbänken. Bosch drehte sich um und bemerkte, daß noch mehr Reporter gekommen waren. Er entdeckte Bremmer unter ihnen.
»Ja«, sagte Lloyd. Sein Gesicht war so rot wie seine Nase geworden.
»Haben Sie je Ihr Toupet unters Kissen gelegt. Ist das ein geeigneter Aufbewahrungsort?«
»Nein.«
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Richter Keyes sah auf die Wanduhr und dann zu Belk.
»Was meinen Sie, Mr. Belk? Mittagspause, damit Sie nicht unterbrochen werden?«
»Ich habe nur eine einzige Frage?«
»Gut, meinetwegen, fragen Sie.«
Belk nahm seinen Block zum Pult mit und beugte sich zum Mikrofon vor.
»Lieutenant Lloyd, nach allem, was Sie über diesen Fall wissen, haben Sie irgendwelche Zweifel, daß Norman Church der Puppenmacher war?«
»Überhaupt keinen. Nicht den geringsten.«
Nachdem die Jury den Saal verlassen hatte, beugte sich Bosch zu Belk hinüber und flüsterte: »Was sollte das? Sie hat ihn auseinandergenommen, und Sie stellen bloß eine einzige Frage! Was ist mit all den anderen Beweisen, die Church mit den Morden in Verbindung bringen?«
Belk hob die Hand, um Bosch zu beruhigen, und sagte ruhig: »Weil Sie zu all dem aussagen werden. Es geht hier um Sie, Bosch. Von Ihnen hängt Gewinn oder Verlust ab.«
6
Das Restaurant im Code Seven war während der Rezession geschlossen worden. Die Bar war weiterhin geöffnet; in dem ehemaligen Eßsaal hatte man jedoch inzwischen ein Büffet für Salate und Pizza eingerichtet, das von den Angestellten der Kommunalverwaltung frequentiert wurde. Mit dem Restaurant
Weitere Kostenlose Bücher