Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
waren wir erfolgreich. Sehr erfolgreich, meiner Ansicht nach.«
»Ihrer Ansicht nach. Lieutenant Lloyd, sind Sie im Verlauf ihrer Ermittlungen auf den Namen Norman Church gestoßen, bevor er als Unbewaffneter von Detective Bosch erschossen wurde. Irgendeine Erwähnung?«
»Nein, das nicht. Aber es gab …«
»Beantworten Sie bitte nur meine Fragen, Lieutenant.«
Chandler konsultierte ihren gelben Block auf dem Pult. Bosch sah, wie Belk sich auf einem Schreibblock Notizen machte und auf einem anderen Fragen formulierte.
»Okay, Lieutenant«, fuhr Chandler fort, »Ihre Fahndungsgruppe hat den angeblichen Mörder erst gefaßt, als sechs weitere Morde geschehen waren. Wäre es fair zu sagen, daß Sie und Ihre Detectives unter enormen Druck standen, den Mörder zu fangen, diesen Fall abzuschließen?«
»Wir standen unter Druck, ja.«
»Wer übte Druck auf Sie aus, Lieutenant Lloyd?«
»Zeitungen, Fernsehen. Die Polizeiführung.«
»Wie war das? Ich mein’ in der Polizei. Hatten Sie Besprechungen mit Ihren Vorgesetzten?«
»Ich hatte tägliche Besprechungen mit dem Captain von RM und wöchentliche mit dem Police Chief.«
»Was waren Ihre Anweisungen hinsichtlich einer Lösung des Falls?«
»Sie sagten mir, ich sollte den Fall aufklären. Menschen starben. Das mußte mir nicht extra gesagt werden, aber sie taten es trotzdem.«
»Haben Sie das an die Fahndungsgruppe weitergegeben?«
»Natürlich. Aber ihnen mußte man es ebensowenig erklären. Meine Leute sahen jedesmal die Leiche mit eigenen Augen. Es war schlimm. Sie wollten den Kerl kriegen. Dazu brauchten sie keinen Anstoß von den Zeitungen oder dem Chief, geschweige denn von mir.«
Lloyd spielte seine Lieblingsplatte ab, der Cop als einsamer Jäger. Bosch war klar, daß ihm nicht bewußt war, daß er Chandler in die Falle gegangen war. Am Ende des Prozesses würde sie argumentieren, daß Bosch und die anderen Polizisten unter solch einem Druck gestanden hatten, einen Mörder zu finden, daß Bosch Church tötete und die Polizei dann Beweise fabrizierte, die Church inkriminierten. Die Sündenbock-Theorie. Harry wünschte, er könnte eine Auszeit beantragen und Lloyd sagen, daß er sein Maul nicht aufreißen sollte.
»Jedes Mitglied der Fahndungsgruppe wußte also, daß es Druck gab, einen Killer zu finden.«
»Nicht einen Killer. Den Killer. Ja, wir standen unter Druck, das gehört zum Job.«
»Was war Detective Bosch’ Rolle?«
»Er hatte Spätschicht und war der Leiter von Team B. Als Detective hatte er den dritten Grad und leitete daher die Ermittlungen, wenn ich nicht da war, was häufig vorkam. Ich hatte keine bestimmte Schicht, normalerweise habe ich jedoch tagsüber mit Team A zusammengearbeitet.«
»Erinnern Sie sich daran, daß Sie zu Detective Bosch gesagt haben ›Wir müssen den Kerl kriegen‹ oder an ähnliche Worte?«
»Nicht spezifisch. Aber ich habe so etwas Ähnliches bei Besprechungen der Fahndungsgruppe gesagt. Er war dabei. Schließlich war das unser Ziel und in keiner Weise inkorrekt. Wir mußten den Typen fangen. Ich würde das wieder so sagen.«
Bosch fühlte, daß Lloyd sich dafür rächte, daß er ihm die Show gestohlen hatte, indem er den Fall ohne ihn gelöst hatte. Seine Antworten schienen nicht mehr auf leutseliger Dummheit zu beruhen, sondern auf Bosheit. Bosch beugte sich zu Belk und flüsterte: »Er schiebt mir einen rein, weil er Church nicht selbst abknallen durfte.«
Belk legte seine Finger auf die Lippen und bedeutete ihm, ruhig zu sein. Dann fuhr er fort, auf seinen Blöcken Notizen zu machen.
»Haben Sie schon einmal von der Verhaltensforschungsabteilung des FBIs gehört?« fragte Chandler.
»Ja, habe ich.«
»Was tun sie?«
»Unter anderem untersuchen sie Serienmörder. Entwickeln psychologische Profile, Profile der Opfer, sind als Berater tätig – derartige Sachen.«
»Sie hatten elf Morde. Welchen Rat bekamen Sie von der FBI-Abteilung?«
»Keinen.«
»Warum. Waren sie überfragt?«
»Nein, wir haben uns nicht mit ihnen in Verbindung gesetzt.«
»Ach, und warum nicht?«
»Nun, wir waren der Ansicht, daß wir wußten, worum es in diesem Fall ging. Wir hatten selbst Profile entwickelt und glaubten nicht, daß uns das FBI groß helfen könnte. Der Kriminalpsychologe, der uns half, Dr. Locke von der University of Southern California, war früher selbst für den FBI als Gutachter bei Sexualverbrechen tätig. Wir konnten uns auf seine Erfahrung sowie die des Polizeipsychologen stützen. Wir glaubten,
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