Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
überprüft, ob es Alibis für die anderen zehn Morde gab?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Mr. Wieczorek, Sie haben also nichts, womit Sie Ihren langjährigen Freund in den anderen Fällen verteidigen können. Morden, die eine aus zahlreichen Polizisten bestehende Fahndungsgruppe ihm zur Last legte. Oder?«
»Das Band hat sie alle Lügen gestraft. Ihre Fahndungs…«
»Sie beantworten nicht meine Frage.«
»Doch, das tue ich. Wenn man in einem Fall eine Lüge aufdeckt, dann gilt das für alle, wenn Sie mich fragen.«
»Wir fragen Sie nicht, Mr. Wieczorek. Nun, Sie haben gesagt, Sie haben Norman Church nie mit einem Haarteil gesehen. Korrekt?«
»Das habe ich gesagt, ja.«
»Wußten Sie, daß er ein Apartment unter falschem Namen gemietet hatte?«
»Nein, das war mir nicht bekannt.«
»Es gab vieles, das Sie nicht von Ihrem Freund wußten, nicht wahr?«
»Das kann sein.«
»Kann es sein, daß er ebenso wie er eine Wohnung mietete, von der Sie keine Ahnung hatten, manchmal ein Haarteil trug, von dem Sie nichts wußten?«
»Kann sein.«
»Nun, wenn Mr. Church der Mörder war, wie es die Polizei behauptet, und wenn er sich wie der Mörder maskierte, sollte man dann nicht …«
»Einspruch«, rief Chandler.
»… erwarten, daß in der Wohnung …«
»Einspruch!«
»… ein Toupet wäre?«
Richter Keyes gab Chandlers Einspruch gegen Belks Frage statt, weil die Antwort Spekulation erfordern würde, und rügte Belk, da er seine Frage trotz des erhobenen Einspruchs weiter fortgesetzt hatte. Belk steckte den Rüffel ein und erklärte, er habe keine weiteren Fragen. Als er sich hinsetzte, lief ihm der Schweiß die Schläfen hinunter.
»Sie haben das Beste herausgeholt«, flüsterte ihm Bosch zu.
Belk ignorierte die Bemerkung und wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch ab.
Der Richter unterbrach die Verhandlung für die Mittagspause, nachdem er die Videokassette als Beweismaterial entgegengenommen hatte. Sowie die Geschworenen den Saal verlassen hatten, eilten einige der Reporter zu Chandler. Bosch beobachtete das Schauspiel. Es war die letzte Bestätigung, wie es um seine Sache stand. Die Journalisten umschwärmten immer den Sieger – den, der anscheinend die Oberhand hatte, den, der am Ende gewann. Es war immer leichter, den Sieger zu befragen.
»Lassen Sie sich mal was einfallen, Bosch«, sagte Belk. »Vor sechs Monaten hätten wir uns für fünfzig Riesen vergleichen können. So wie es jetzt läuft, wäre das ein Trinkgeld gewesen.«
Bosch drehte sich um und sah ihn an. Sie standen an dem Geländer hinter dem Tisch der Verteidigung.
»Sie glauben es, nicht wahr. Die ganze Geschichte. Daß ich ihn getötet habe und daß wir ihm danach die Beweisstücke untergejubelt haben, die ihn überführten.«
»Es kommt nicht darauf an, was ich glaube, Bosch.«
»Fuck you, Belk.«
»Wie ich schon gesagt habe, Sie sollten sich etwas einfallen lassen.«
Dann schob er seinen feisten Wanst durch die Schranke und ging nach draußen. Bremmer und ein anderer Reporter näherten sich ihm, aber er winkte ab. Bosch folgte nach ein paar Momenten und zeigte ihnen gleichfalls die kalte Schulter. Bremmer blieb ihm jedoch auf den Fersen, als er auf dem Flur zur Rolltreppe ging.
»Hör zu, es geht hier auch um meinen Arsch. Ich habe ein Buch über den Typen geschrieben, und falls es der falsche war, möchte ich das wissen.«
Bosch blieb stehen, und Bremmer lief ihm beinahe in den Rücken. Harry musterte den Reporter genau. Er war ungefähr fünfunddreißig, hatte Übergewicht und braunes, dünnes Haar. Wie viele andere Männer kompensierte er das durch einen Vollbart, der ihn nur älter aussehen ließ. Bosch bemerkte die Schweißflecken unter den Achseln seines Hemds. Körpergeruch war allerdings nicht sein Problem, sondern sein Atem, der nach Zigaretten stank.
»Paß auf, wenn du glaubst, es war der Falsche. Dann schreib’ ein neues Buch und kassier noch mal dreihunderttausend Vorschuß. Was kümmert’s dich, ob es der falsche Typ war oder nicht?«
»Ich habe einen gewissen Ruf in dieser Stadt, Harry.«
»Das hatte ich auch mal. Was wirst du morgen schreiben?«
»Ich muß schreiben, was hier abläuft.«
»Und du sagst auch als Zeuge aus? Ist das moralisch vereinbar, Bremmer?«
»Ich werde nicht in den Zeugenstand treten. Sie hat mich gestern von meiner Vorladung entbunden. Ich mußte nur einen Wisch unterschreiben.«
»Welchen Inhalts?«
»Daß das Buch nach meinem besten Wissen wahre und akkurate
Weitere Kostenlose Bücher