Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Information enthält. Und daß ich diese Information fast ausschließlich aus Polizeiquellen, aus Polizeiakten und anderen öffentlichen Dokumenten erhalten habe.«
»Da wir von Quellen sprechen … Wer hat dir von dem Brief erzählt?«
»Harry, das kann ich nicht preisgeben. Vergiß nicht, wie oft ich dich als vertrauliche Quelle geschützt habe. Du weißt, daß ich meine Informanten nicht identifizieren kann.«
»Ja, das weiß ich. Ich weiß auch, daß mir jemand eine Grube gräbt.«
Bosch betrat die Rolltreppe und fuhr nach unten.
10
Das Sittendezernat war im zweiten Stock des Downtown-Reviers untergebracht. Bosch erreichte es in zehn Minuten und fand Ray Mora an seinem Schreibtisch im großen Büro der Abteilung. Er telefonierte gerade. Vor ihm lag eine Zeitschrift, die ein Paar beim Geschlechtsverkehr zeigte. Das Mädchen auf den Fotos sah sehr jung aus. Mora überflog die Abbildungen, blätterte die Seiten um und hörte dem anderen Teilnehmer zu. Er nickte Bosch zu und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
»Okay, das ist alles, was ich wissen wollte«, erklärte Mora. »Ich strecke nur die Fühler aus. Hör dich um und berichte mir, was du erfährst.«
Nach diesen Sätzen hörte Mora weiter zu. Bosch betrachtete den Cop von der Sitte. Er hatte ungefähr seine Statur, bronzefarbene Haut und braune Augen. Sein glattes braunes Haar war kurzgeschoren, und er trug keinen Bart. Wie die meisten Cops im Sittendezernat war er lässig gekleidet. Blue Jeans und ein offenes, schwarzes Polohemd. Bosch wußte, daß unter dem Schreibtisch Cowboy-Stiefel steckten. Er trug ein goldenes Medaillon, in das eine Taube mit ausgebreiteten Flügeln eingraviert war, das Symbol des Heiligen Geistes.
»Meinst du, du kannst für mich den Drehort herausfinden?«
Schweigen. Mora war mit der Zeitschrift fertig, schrieb etwas auf die Vorderseite, griff nach der nächsten und begann sie durchzublättern.
Bosch entdeckte den Gewerkschaftskalender der Pornodarsteller an der Seite eines Aktenständers. Über den Wochentagen räkelte sich nackt ein Pornostar namens Delta Bush. Sie war in den letzten Jahren durch die Klatschblätter bekannt geworden, als sie mit einem Filmstar liiert war. Unter dem Kalender stand eine Heiligenstatue auf dem Schreibtisch, die Bosch als den Infanten von Prag identifiziert hatte.
Die Statue erkannte er, weil ihm als Junge eine seiner Pflegemütter eine ähnliche gegeben hatte, als sie ihn ins McClaren-Waisenhaus zurückschickte. Er hatte nicht den Vorstellungen seiner Pflegeeltern entsprochen. Die Frau hatte ihm die Statue zum Abschied geschenkt und erklärt, es sei der kleine König, der Schutzpatron der Kinder. Bosch fragte sich, ob Mora die Legende kannte oder ob er den Heiligen zum Scherz dort hingestellt hatte.
»Ich sage nur, versuch es«, sagte Mora ins Telefon. »Besorg mir den Drehort. Dann kommst du an den Spitzeltrog … ja, ja. Später.«
Er legte auf.
»Hallo, Harry, wo stehste?«
»Edgar war hier, hab’ ich recht?«
»Er ist gerade erst weg. Hast du mit ihm gesprochen?«
»Nein.«
Mora merkte, wie Bosch die Fotos in dem aufgeschlagenen Magazin betrachtete. Abgebildet waren zwei Frauen, die vor einem Mann knieten. Er klebte einen gelben Post-it-Zettel auf die Seite und schloß die Zeitschrift.
»O Gott, ich muß den ganzen Scheiß hier durchsehen. Ich habe einen Tip bekommen, daß der Verleger minderjährige Fotomodelle benutzt. Weißt du, wie ich das nachprüfe?«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Weder Gesicht noch Titten. Fußgelenke, Harry.«
»Fußgelenke.«
»Ja, Fußgelenke. Man kann es sehen. Sie sind irgendwie glatter bei dem jungen Gemüse. Ich kann es meistens an den Fußgelenken sehen, ob sie über oder unter achtzehn sind. Danach muß ich es natürlich mit Geburtsurkunden, Führerscheinen und so weiter belegen. Es ist verrückt, aber funktioniert.«
»Meine Anerkennung. Was hast du Edgar gesagt?«
Das Telefon klingelte, Mora nahm ab und hörte einige Momente zu.
»Ich kann im Moment nicht sprechen. Ich ruf zurück. Wo stehste?«
Nachdem er etwas notiert hatte, legte er auf.
»Entschuldigung. Ich habe Edgar ihre Personalien gegeben. Maggie Cum Loudly. Fingerabdrücke, Fotos, der ganze Kram. Ich habe ein paar Standfotos von ihr in Aktion, falls du sie sehen willst.«
Er schob seinen Stuhl zum Karteischrank hinüber, aber Bosch lehnte das Angebot ab.
»Egal, Edgar hat das ganze Material. Die Fingerabdrücke hat er zur Gerichtsmedizin gebracht, glaube ich.
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