Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Belk auf und begaben sich auf die Publikumsplätze.
Während er seinen Platz wechselte, sah Harry Bremmer von der Times auf einer der hinteren Bänke sitzen. Er nickte Bosch kurz zu. Harry fragte sich, ob er als Reporter oder vorgeladener Zeuge hier war.
Das Video war lang und langweilig. Es war allerdings keine kontinuierliche Aufnahme, sondern brach des öfteren ab, um später wieder neu einzusetzen. Aber die Digitalanzeige in der rechten unteren Ecke dokumentierte Zeit und Datum. Falls sie korrekt war, hatte Church ein Alibi für den letzten ihm zur Last gelegten Mord.
Für Bosch war es ein verwirrendes Schauspiel. Dort saß Church ohne Toupet, kahl wie ein Baby, trank Bier und lachte mit seinen Freunden. Der Mann, den er getötet hatte, stieß auf die Hochzeit eines Freundes an und sah aus wie ein langweiliger Kleinbürger. Bosch wußte, daß das nicht sein wahres Gesicht war.
Das Band dauerte neunzig Minuten und endete mit dem Auftritt einer Stripperin, die ein Lied auf den zukünftigen Ehemann sang und ihre Unterwäsche nach und nach auf dessen Kopf ablegte. Church schien das Ganze peinlich zu sein, er richtete seine Blicke mehr auf den Bräutigam als auf die Stripperin.
Bosch wandte seine Augen vom Bildschirm ab, um die Jury zu beobachten, und erkannte, wieviel Schaden das Band seiner Verteidigung zufügte. Er blickte weg.
Nach dem Vorspielen des Videos stellte Chandler noch einige Fragen an Wieczorek. Belk hätte sie wohl angesprochen, aber auf diese Weise nahm sie ihm den Wind aus den Segeln.
»Wie kommt das Datum und die Uhrzeit ins Bild.«
»Wenn man die Kamera kauft, stellt man es ein. Danach sorgt die Batterie für alles. Ich mußte mich nie mehr darum kümmern, nachdem ich das Gerät gekauft hatte.«
»Aber Sie könnten jederzeit ein anderes Datum einstellen, falls Sie wollten? Stimmt’s?«
»Das nehm’ ich an.«
»Sagen wir mal, Sie würden einen Freund auf Video aufnehmen, um ihm später ein Alibi zu verschaffen, könnten Sie das Datum ein Jahr zurückstellen und dann die Aufnahme machen?«
»Sicher.«
»Könnten Sie ein Datum in ein schon existierendes Video einblenden?«
»Nein. Man kann nicht ein altes Datum mit einem neuen überblenden. Das klappt nicht.«
»Wie könnten Sie es also in diesem Fall machen? Wie könnten Sie Norman Church ein falsches Alibi verschaffen?«
Belk erhob sich und legte Einspruch ein, da Wieczoreks Antwort auf Spekulation basieren würde, aber Richter Keyes lehnte ab, da der Zeuge Erfahrung mit seiner Kamera habe.
»Hm, man könnte es jetzt nicht tun, weil Norman tot ist«, sagte Wieczorek.
»Sie sagen also, daß Sie sich, um ein gefälschtes Video zu machen, mit Norman Church hätten verschwören müssen, bevor er von Mr. Bosch getötet wurde. Korrekt?«
»Ja, wir hätten irgendwann wissen müssen, daß er das Band brauchte, und er hätte mir das gewünschte Datum, et cetera sagen müssen. Das ist alles ziemlich an den Haaren herbeigezogen, weil Sie in den Zeitungen aus dem Jahr nachschlagen können, daß mein Freund am dreißigsten September geheiratet hat. Seine Junggesellenparty mußte also am achtundzwanzigsten oder so stattgefunden haben. Das Band ist keine Fälschung.«
Richter Keyes gab Belks Einspruch statt, daß der letzte Satz keine Antwort auf die Frage darstelle und daher von der Jury nicht zu beachten sei. Bosch wußte, daß sie ihn gar nicht hören mußten. Sie wußten alle, daß das Video echt war. Er eingeschlossen. Ihm war übel und er schwitzte. Etwas war falsch gelaufen, aber er wußte nicht was. Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen, das wäre jedoch ein so deutliches Eingeständnis seiner Schuld gewesen, daß die Wände wie bei einem Erdbeben gezittert hätten.
»Eine letzte Frage«, sagte Chandler. Ihre Wangen waren gerötet vom Erfolgsgefühl. »Haben Sie je gesehen, daß Norman Church ein Haarteil trug?«
»Nie. Ich kannte ihn viele Jahre, aber ich habe so etwas nie gesehen oder davon gehört.«
Keyes gab den Zeugen zum Kreuzverhör frei, und Belk trottete mit seinem gelben Block zum Pult. Anscheinend hatte er durch diese Wendung so sehr seine Fassung verloren, daß er seine Standardphrase »Nur ein paar Fragen« vergaß. Statt dessen machte er sich sofort daran, den Schaden einzudämmen.
»Sie sagten, daß Sie ein Buch über den Puppenmacher-Fall gelesen und dann entdeckt haben, daß das Datum auf dem Band mit dem von einem der Morde übereinstimmte. Ist das richtig?«
»Das ist richtig.«
»Haben Sie auch
Weitere Kostenlose Bücher