Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
es schon zu spät am Tag, deshalb besorgte ich mir im Kokomo Café ein Sandwich mit Speck, Salat und Tomaten sowie Münzen im Wert von einem Dollar. Ich aß das Sandwich in einer der alten Telefonzellen, die sie neben dem Duper's hatten stehen lassen. Zuerst rief ich Roy Lindell an. Ich erwischte ihn beim Essen an seinem Schreibtisch.
»Was gibt's denn bei Ihnen heute?«
»Thunfisch mit Pickles auf Roggenbrot.«
»Das ist ja ekelhaft.«
»Ja, und Sie?«
»Ein BLT. Aus dem Kokomo's, mit extra stark geräucherten Speck.«
»Damit kann ich garantiert nicht mithalten. Was wollen Sie, Bosch? Bei unserer letzten Begegnung wollten Sie nichts mehr mit mir zu tun haben. Außerdem dachte ich, Sie wären nach Vegas geflogen.«
»Bin ich auch, aber ich bin schon wieder zurück. Langsam glätten sich die Wogen. Man könnte sagen, ich bin mit Ihren Kumpels aus dem neunten Stock handelseinig geworden. Wollen Sie wieder einsteigen oder sich weiter im Schmollwinkel verkriechen?«
»Haben Sie denn was Neues?«
»Vielleicht. Im Moment nicht viel mehr als eine Ahnung.«
»Was wollen Sie von mir?«
Ich schob das Sandwichpapier vom Mordbuch und schlug es auf, um die Angaben zu suchen, die ich brauchte.
»Sehen Sie mal, was Sie über einen gewissen Linus Simonson rausfinden können. Neunundzwanzig Jahre alt, Hautfarbe weiß, männlich. Ihm gehört ein Club in der Stadt.«
»Wie heißt der Club?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Na großartig. Soll ich vielleicht auch noch Ihre Hemden aus der Wäscherei abholen, wo ich schon mal dabei bin?«
»Geben Sie einfach den Namen ein. Entweder der Computer spuckt was aus oder nicht.«
Ich gab ihm Simonsons Geburtsdatum und die im Mordbuch angegebene Adresse, obwohl mir mein Gefühl sagte, dass sie nicht mehr stimmte.
»Wer ist dieser Typ?«
Ich erzählte ihm von Simonsons früherer Anstellung bei BankLA und dass er bei dem Filmgeldraub eine Kugel abbekommen hatte.
»Der Kerl war eins der Opfer. Meinen Sie, er hat den Coup geplant und seinen Leuten gesagt, sie sollten ihn in den Arsch schießen?«
»Ich weiß nicht.«
»Und was hat er mit Marty Gessler zu tun?«
»Das weiß ich auch nicht. Vielleicht nichts. Wahrscheinlich nichts. Trotzdem möchte ich ihn sicherheitshalber überprüfen. Irgendetwas an ihm kommt mir eigenartig vor.«
»Okay, dann haben Sie mal weiter die Geistesblitze und lassen mich die Laufarbeit machen, Bosch. Sonst noch was?«
»Also, wenn Sie keine Lust haben, dann sagen Sie es einfach. Dann frage ich jemand anderen, ob er …«
»Ich habe gesagt, ich mache es, und werde es auch machen. Sonst noch was?«
Ich zögerte, aber nicht lange.
»Ja, noch eine Sache. Könnten Sie ein Kfz-Kennzeichen für mich überprüfen?«
»Lassen Sie hören.«
Ich nannte ihm die Nummer von Eleanors Auto. Ich hatte sie immer noch im Kopf und wurde das Gefühl nicht los, dass sie dort so lange bleiben würde, bis ich sie überprüft hatte.
»Nevada?« Der Argwohn in Lindells Stimme war unüberhörbar. »Hat das was mit Ihrem Trip nach Vegas oder mit der Sache hier zu tun?«
Das hätte ich mir denken können. Lindell war alles Mögliche, aber sicher nicht dumm. Ich hatte die Tür bereits geöffnet. Jetzt musste ich auch reingehen.
»Das weiß ich nicht«, log ich. »Aber könnten Sie mir trotzdem die dazugehörigen Daten beschaffen?«
Falls das Auto, wie ich vermutete, auf jemand anderen als Eleanor zugelassen war, konnte ich Lindell erzählen, dass ich angenommen hätte, beschattet zu werden. Dann hätte er nichts mitbekommen.
»Na schön, meinetwegen«, sagte der FBI-Mann. »Aber ich muss jetzt Schluss machen. Rufen Sie später noch mal an.«
Ich hängte auf, und damit hatte es sich. Schuldgefühle umspülten mich wie die Wellen, die unter dem Pier gegen die Stützpfeiler klatschten. Lindell konnte ich mit diesem Theater vielleicht etwas vormachen, aber mir nicht. Ich hatte mich tatsächlich nicht entblödet, meine Exfrau, von der ich nicht loskam, überprüfen zu lassen. Konnte ich noch tiefer sinken?
Um nicht länger darauf herumzureiten, nahm ich den Hörer ab und warf ein paar weitere Münzen in den Apparat. Ich rief Janis Langwiser an, und während ich wartete, dass sie dranging, wurde mir bewusst, dass ich möglicherweise kurz davor stand, die Frage zu beantworten, die ich mir gerade gestellt hatte.
Langwisers Sekretärin teilte mir mit, ihre Chefin telefoniere gerade und werde mich umgehend zurückrufen. Ich sagte, ich sei telefonisch nicht erreichbar,
Weitere Kostenlose Bücher