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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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würde aber in fünfzehn Minuten noch mal anrufen. Ich hängte auf und ging mir den Markt ansehen. Die meiste Zeit verbrachte ich in einem kleinen Laden, in dem sie nur scharfe Saucen verkauften, Hunderte verschiedene Sorten. Weil mir der Laden gefiel und ich mehr Kleingeld zum Telefonieren brauchte, kaufte ich eine Flasche Gator Squeeze's, auch wenn ich nicht sicher war, wann ich sie verwenden würde, weil ich kaum mehr zu Hause kochte.
    Den nächsten Zwischenstopp legte ich in der Bäckerei ein. Nicht, um etwas zu kaufen; nur, um zu schauen. Als ich noch ein kleiner Junge war und noch bei meiner Mutter lebte, nahm sie mich Samstagmorgens immer in den Farmer's Market mit. Was ich noch am besten in Erinnerung habe, ist, wie ich durch das Schaufenster der Bäckerei schaute, wenn der Konditor die Torten verzierte, die irgendwelche Leute für Geburtstage und Familienfeiern und Hochzeiten bestellt hatten. Die dicken Unterarme mit Mehl und Zucker bedeckt, drückte er Zuckerguss durch einen Trichter und machte damit raffinierte Muster auf die Torten.
    Normalerweise musste mich meine Mutter am Fenster hochhalten, damit ich oben auf die Torte sehen konnte, die gerade verziert wurde. Sie dachte, ich sähe dem Konditor zu, aber in Wirklichkeit beobachtete ich manchmal ihr Spiegelbild im Fenster und versuchte herauszufinden, was nicht stimmte.
    Wenn ich ihr zu schwer wurde, holte sie einen Stuhl aus einem der Restaurants, in denen man im Freien sitzen konnte – inzwischen nennt man das in den Einkaufszentren einen ›Food Court‹ –, und auf dem stand ich dann. Ich schaute mir die Torten an und stellte mir vor, für welche Feste sie bestimmt waren und wie viel Leute daran teilnähmen. Es schien, als könnten diese Torten nur an glückliche Orte geliefert werden. Aber mir entging nicht, dass es meine Mutter traurig machte, wenn der Konditor eine Hochzeitstorte verzierte.
    Die Bäckerei und das Fenster des Konditors gab es immer noch. Ich stand mit der Tüte, in der die scharfe Sauce war, vor dem Fenster, aber es war kein Konditor dahinter. Es war schon zu spät. Die Torten wurden früh gemacht, damit sie fertig waren, wenn sie für Geburtstagsfeiern und Hochzeiten und Jubiläen und dergleichen abgeholt oder geliefert wurden. Auf dem Bord neben dem Fenster lagen die verschiedenen Trichterspitzen aus Stahl, mit denen der Konditor alle möglichen Muster und Blüten aus Zuckerguss machte.
    »Es hat keinen Sinn zu warten. Er hat heute schon Schluss gemacht.«
    Ich brauchte mich nicht umzudrehen. Im Fenster sah ich das Spiegelbild einer alten Frau, die hinter mir vorbeiging. Das ließ mich wieder an meine Mutter denken.
    »Ja«, sagte ich. »Da haben Sie vermutlich Recht.«
    Als ich zum zweiten Mal in die Telefonzelle ging und Langwiser anrief, war sie zu sprechen und hob sofort ab.
    »Bei Ihnen alles okay?«
    »Ja, ja, kein Problem.«
    »Gott sei Dank. Sie haben mir einen ganz schönen Schreck eingejagt.«
    »Wieso das denn?«
    »Sie haben doch Jane gesagt, Sie seien nicht erreichbar. Da dachte ich, Sie sind vielleicht in einer Zelle oder so was.«
    »Ach so, Entschuldigung. Daran habe ich nicht gedacht. Ich benutze nur nach wie vor mein Handy nicht.«
    »Denken Sie, Sie werden noch immer abgehört?«
    »Das weiß ich nicht. Ich bin nicht mal sicher, ob ich überhaupt mal abgehört wurde. Eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Ist das dann lediglich Ihr täglicher Kontrollanruf?«
    »Gewissermaßen. Eine Frage hätte ich allerdings auch.«
    »Ich höre.«
    Vielleicht lag es daran, dass ich Lindell nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte oder weil ich Eleanor auszuspionieren versuchte. Jedenfalls beschloss ich, Langwiser nichts vorzumachen. Ich beschloss, die Karten, die ich hatte, einfach auf den Tisch zu legen.
    »Vor ein paar Jahren übernahm Ihre Kanzlei einen Fall. Der Anwalt war James Foreman, der Mandant BankLA.«
    »Ja, die Bank gehört zu unseren Mandanten. Was war das für ein Fall? Vor ein paar Jahren war ich nämlich noch nicht hier.«
    Ich schloss die Tür der Telefonzelle, obwohl mir klar war, dass es in dem winzigen Kabuff rasch heiß würde.
    »Wie er hieß, weiß ich nicht, aber der Name der Gegenpartei war Linus Simonson. Er war Assistent des Vizepräsidenten der Bank. Er bekam bei dem Filmgeldraub eine Kugel ab.«
    »Okay. Ich erinnere mich, dass jemand verletzt und jemand getötet wurde, aber an die Namen kann ich mich nicht erinnern.«
    »Er war der Verletzte. Der Tote war Ray Vaughn, der Leiter der

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