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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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gegenüber war nämlich die West-Hollywood-Station des Sheriffs Department.
    Die Bank befand sich in einem zweigeschossigen Art-Deco-Bau mit geschwungener Fassade und großen Rundfenstern im Obergeschoss. Die Schalter und die Beratungstische waren im Erdgeschoss, die Büros einen Stock höher. Dort oben fand ich Jones in einem Büro, aus dessen Bullaugenfenster man über das Sheriffs Department hinweg auf das Pacific Design Center blickte, das von den Leuten aus der Gegend der ›Blaue Wal‹ genannt wurde, weil seine blau verkleidete Fassade aus bestimmten Blickwinkeln aussah wie der aus dem Meer ragende Schwanz eines Buckelwals.
    Jones forderte mich mit einem Lächeln auf, Platz zu nehmen.
    »Mr Scaggs hat mir bereits gesagt, dass Sie vorbeikommen würden und dass ich ganz offen mit Ihnen reden kann. Er meinte, Sie stellen Nachforschungen über den Raubüberfall an.«
    »So ist es.«
    »Es freut mich, dass das nicht ganz in Vergessenheit gerät.«
    »Und mich freut, dass Sie das sagen.«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Da bin ich noch nicht sicher. Ich gehe noch einmal eine Reihe von Schritten durch, die bereits unternommen worden sind. Es kann also durchaus sein, dass Sie sich im Folgenden nur wiederholen müssen. Aber ich hätte trotzdem gern gehört, welche Rolle Sie bei dem Ganzen gespielt haben. Und wenn mir dabei irgendwelche Fragen kommen, werde ich sie Ihnen einfach stellen.«
    »Also, da gibt es eigentlich nicht so sehr viel zu erzählen. Ich meine, ich war nicht in dem Maß an der Sache beteiligt wie Linus und der arme Mr Vaughn. Ich hatte mit dem Geld eigentlich nur zu tun, bevor es an den Set geliefert wurde. Ich gehörte damals dem Assistentenstab von Mr Scaggs an. Er ist mein Mentor bei der Bank.«
    Ich nickte lächelnd, als fände ich das alles wunderbar. Ich ließ mir Zeit, denn meine Strategie war, sie ganz allmählich in die Richtung zu lotsen, in die ich gehen wollte.
    »Demnach mussten Sie also das Geld bereitmachen. Sie haben es gezählt, verpackt, transportfertig gemacht. Wo war das?«
    »In der Zentrale in Downtown. Wir waren die ganze Zeit in einem Tresorraum. Das Geld kam von den Filialen rein und wurde uns dorthin gebracht. Wir haben den Tresorraum die ganze Zeit nicht verlassen. Außer natürlich am Abend. Wir haben ungefähr drei, dreieinhalb Tage gebraucht, um alles vorzubereiten. Die meiste Zeit haben wir gewartet, dass das Geld von den Filialen reinkam.«
    »Mit ›wir‹ meinen Sie doch Linus …«
    Ich schlug das Mordbuch in meinem Schoß auf, als wollte ich darin einen Namen nachsehen, an den ich mich nicht erinnern konnte.
    »Simonson«, sagte sie für mich.
    »Richtig, Linus Simonson. Sie haben damals zusammengearbeitet, richtig?«
    »Ja, das stimmt.«
    »War Mr Scaggs auch sein Mentor?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ich glaube, dass sie auch leicht errötete. Aber das war schwer zu sagen, weil sie sehr dunkle Haut hatte.
    »Nein, das Mentorenprogramm ist – oder genauer: war – nur für Angehörige von Minderheiten. Es wurde vor einem Jahr eingestellt. Wie auch immer, Linus ist Weißer. Er wuchs in Beverly Hills auf. Seinem Vater gehörten ein paar Restaurants, und ich glaube nicht, dass er einen Mentor brauchte.«
    Ich nickte.
    »Okay, dann waren also Sie und Linus drei Tage in diesem Tresorraum und haben das Geld fertig gemacht. Sie mussten auch die Nummern der Geldscheine registrieren, richtig?«
    »Ja, das haben wir auch gemacht.«
    »Wie sind Sie dabei genau verfahren?«
    Sie dachte nach und antwortete eine Weile nicht. Sie schaukelte langsam mit ihrem Schreibtischsessel. Ich beobachtete, wie ein Hubschrauber des Sheriffs Department auf dem Dach der Polizeistation auf der anderen Seite des Santa Monica Boulevard landete.
    »Woran ich mich noch erinnern kann, ist, dass wir es stichprobenartig machen sollten«, sagte sie. »Deshalb nahmen wir einfach willkürlich irgendwelche Scheine aus den Bündeln. Soviel ich mich erinnern kann, sollten wir ungefähr tausend Scheine registrieren. Auch das hat ziemlich lang gedauert.«
    Ich blätterte im Mordbuch, bis ich eine Kopie der Liste mit den Seriennummern fand, die sie und Simonson zusammengestellt hatten. Ich löste die Ringe des Ordners und nahm die Liste heraus.
    »Dieser Aufstellung zufolge haben Sie achthundert Scheine registriert.«
    »Aha, na schön. Dann also achthundert.«
    »Ist das die Liste, die Sie zusammengestellt haben?«
    Ich reichte sie ihr, und sie studierte sie. Sie sah sich jede Seite und ihre

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