Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
da?«
»Ich warte auf Mr Szatmari. Er holt sich gerade eine Tasse Kaffee.«
Sie legte die Hände auf ihre ausladenden Hüften, das universell verständliche Zeichen für Entrüstung.
»Hat er Ihnen gesagt, Sie sollten sich an seinen Schreibtisch setzen und sich diese Akte ansehen?«
Nun lag es an mir, Szatmari nicht in Schwierigkeiten zu bringen.
»Er hat gesagt, ich soll hier warten. Ich warte.«
»Dann kommen Sie schleunigst wieder auf die andere Seite des Schreibtisches zurück. Ich werde Mr Szatmari sagen, was ich gesehen habe.«
Ich klappte den Ordner zu, stand auf und kam hinter dem Schreibtisch hervor.
»Ich würde es wirklich begrüßen, wenn Sie das nicht täten«, sagte ich.
»Was Sie begrüßen würden, ist mir egal. Natürlich werde ich es ihm sagen.«
Darauf rauschte sie aus dem Zimmer und ließ die Tür hinter sich offen. Ein paar Minuten vergingen, bis Szatmari hereinstürmte und die Tür zuschlug. Sobald er sich mir zuwandte, verflog der Ärger in seiner Miene. Er hielt einen Becher mit dampfendem Kaffee in der Hand.
»Danke, dass Sie es so hingedreht haben«, sagte er. »Hoffentlich haben Sie gefunden, was Sie brauchen, denn um den kleinen Anfall, den ich da draußen eben hatte, nicht Lügen zu strafen, muss ich Sie jetzt rauswerfen.«
»Kein Problem«, sagte ich und stand auf. »Eine Frage hätte ich allerdings noch.«
»Ja?«
»War das eine reine Routinemaßnahme? Die finanzielle Situation der in dem Fall ermittelnden Polizisten zu überprüfen? Meine, Jack Dorseys und die von Lawton Cross.«
Stirnrunzelnd versuchte sich Szatmari an den Grund seiner Nachforschungen zu erinnern. Dann hob er die Schultern.
»Daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich dachte ich, dass ich angesichts der Höhe der Summe, um die es damals ging, lieber jedem auf die Finger sehen sollte. Vor allem Ihnen, Bosch, wo Sie doch zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt am Set waren.«
Ich nickte. Es hörte sich nach einer vernünftigen Maßnahme an.
»Sind Sie deswegen sauer?«
»Ich? Nein, nein, überhaupt nicht. Ich war nur neugierig, wie es dazu kam, mehr nicht.«
»Sonst irgendetwas, was Sie weitergebracht hat?«
»Vielleicht, aber das lässt sich jetzt noch nicht sagen.«
»Na, dann jedenfalls viel Erfolg. Wenn es Ihnen keine Umstände macht – halten Sie mich doch auf dem Laufenden, wenn sich irgendetwas Neues ergibt.«
»Mache ich. Ich gebe Ihnen Bescheid.«
Wir schüttelten uns die Hände. Als ich auf dem Weg nach draußen an der entrüsteten Sekretärin vorbeikam, wünschte ich ihr einen schönen Tag. Sie antwortete nicht.
33
Das Gespräch mit Gordon Scaggs verlief zügig und reibungslos. Er empfing mich zum verabredeten Zeitpunkt im BankLA-Hochhaus in Downtown. Sein Büro im 42. Stock lag nach Osten, und ich hatte selten einen so guten Blick auf den Smog der Stadt gehabt. Seine Schilderung der Rolle, die er bei der unseligen 2-Millionen-Dollar-Leihgabe an Eidolon Productions gespielt hatte, wich nirgendwo erkennbar von seiner Aussage im Mordbuch ab. Er hatte für die Bank eine Gebühr von 50.000 Dollar ausgehandelt, die auch die Kosten für die Sicherheitsvorkehrungen enthielt. Laut Vertrag sollte das Geld am Morgen des Drehtags geliefert und bis 18 Uhr, wenn die Bank schloss, zurückgebracht werden.
»Ich war mir des Risikos durchaus bewusst«, sagte Scaggs. »Aber ich witterte einen raschen Profit für die Bank. Wahrscheinlich könnte man sagen, das hat meinen Blick getrübt.«
Während Scaggs die Verantwortung für den Transport des Geldes an Ray Vaughn übertrug, den Leiter der Sicherheitsabteilung von BankLA, handelte er mit Global Underwriters die Vertragsbedingungen für den Versicherungsschutz aus und kümmerte sich um die Beschaffung der zwei Millionen in Scheinen. Es wäre nämlich höchst ungewöhnlich gewesen, wenn eine einzige Bankfiliale – auch nicht die Hauptgeschäftsstelle in Downtown – an einem Tag so viel Bargeld verfügbar gehabt hätte. Daher hatte Scaggs veranlasst, dass aus mehreren BankLA-Filialen Hundertdollarscheine in die Zentrale geliefert wurden. An dem Tag, an dem das Geld bei den Dreharbeiten benötigt wurde, wurde es in einen gepanzerten Transporter geladen und nach Hollywood an den Set befördert. Ray Vaughn saß in einem Begleitfahrzeug, das dem Geldtransporter vorausfuhr. Er stand in ununterbrochenem Funkkontakt mit dem Fahrer des Transporters und lotste ihn auf verschlungenen Pfaden durch Hollywood, um feststellen zu können, ob
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