Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
ihnen jemand folgte.
Bei ihrer Ankunft am Set wurden sie von mehreren bewaffneten Wachmännern und Linus Simonson in Empfang genommen. Letzterer hatte Scaggs bei der Beschaffung der Geldscheine geholfen und dann auf Drängen der Versicherungsgesellschaft die Liste mit Seriennummern zusammengestellt.
Außerdem wurde das BankLA-Team natürlich von den schwer bewaffneten und vermummten Räubern in Empfang genommen.
Neu war für mich, dass die Bank, wie ich von Scaggs gleich zu Beginn unseres Gesprächs erfuhr, nach dem Raubüberfall ihre Richtlinien geändert hatte. BankLA führte keine, wie er es nannte, Boutique-Bargeldbereitstellungen an die Filmindustrie mehr durch.
»Und was heißt das?«, fragte er rein rhetorisch. »Wenn man sich einmal die Finger verbrennt, lässt man es sich eine Lehre sein. Sie sich zweimal zu verbrennen ist pure Dummheit. Und wir hier bei BankLA sind nicht dumm, Mr Bosch. Wir lassen uns von diesen Leuten kein zweites Mal die Finger verbrennen.«
Ich nickte zustimmend.
»Demnach sind Sie sicher, dass Sie dieses Desaster ›diesen Leuten‹ zu verdanken haben? Der Überfall kam von irgendwo da draußen und nicht von hier drinnen, aus der Bank?«
Schon der bloße Gedanke an eine andere Möglichkeit ließ ihn indigniert das Gesicht verziehen.
»Das will ich doch meinen. Nehmen Sie doch nur dieses arme Mädchen, das ermordet wurde. Sie arbeitete für sie, nicht für uns.«
»Das stimmt. Aber ihre Ermordung könnte Teil eines ausgeklügelten Plans gewesen sein. Um den Verdacht auf die Filmgesellschaft zu lenken statt auf die Bank.«
»Ausgeschlossen. Die Polizei hat hier alles gründlichst durchsucht. Das Gleiche gilt für die Versicherung. Wir haben von allen Beteiligten einen Persilschein ausgestellt bekommen. Was diese Filmgeld-Geschichte angeht, haben wir eine vollkommen weiße Weste.«
Ich nickte wieder.
»Dann haben Sie sicher auch nichts dagegen, wenn ich mit Ihren Angestellten rede. Ich würde gern mit Linus Simonson und Jocelyn Jones sprechen.«
Scaggs merkte, dass er ausgetrickst worden war. Wie hätte er mich nach dieser vollmundigen Unschuldsbeteuerung im Namen der Bank nicht mit einigen ihrer Angestellten sprechen lassen können?
»Darauf kann ich nur mit einem Ja und Nein antworten«, sagte er. »Jocelyn arbeitet immer noch für uns. Sie ist inzwischen stellvertretende Filialleiterin in West-Hollywood. Mit ihr zu sprechen, dürfte, glaube ich, kein Problem sein.«
»Und Linus Simonson?«
»Linus kam nach diesem verhängnisvollen Tag nicht mehr zu uns zurück. Vermutlich wissen Sie, dass er von diesen Gangstern niedergeschossen wurde. Er und Ray. Ray kam nicht durch, Linus schon. Er lag ziemlich lang im Krankenhaus und nach seinem Genesungsurlaub wollte er nicht mehr zurück in die Bank, wobei ich gestehen muss, dass ich ihm das nicht verdenken kann.«
»Er hat gekündigt?«
»So ist es.«
Darüber hatte weder im Mordbuch noch in Szatmaris Unterlagen etwas gestanden. Ich wusste, dass die Ermittlungen in den Tagen und Wochen nach dem Überfall äußerst intensiv betrieben worden waren. Wahrscheinlich hatte sich Simonson in diesem Zeitraum noch von seinen Verletzungen erholt und war offiziell noch bei der Bank angestellt gewesen. Somit hatte zum damaligen Zeitpunkt kein Anlass bestanden, in den Ermittlungsunterlagen zu vermerken, dass er seine Stellung bei der Bank aufgegeben hatte.
»Wissen Sie, wohin er danach gegangen ist?«
»Gewusst habe ich es mal. Aber inzwischen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ach übrigens, nur der Vollständigkeit halber: Linus nahm sich einen Anwalt, der eine Schadensersatzforderung anstrengte. Sie wissen schon, die Bank hätte Linus in Gefahr gebracht und derlei Unsinn mehr. In keiner dieser Schadensersatzklagen wurde auch nur mit einem Wort erwähnt, dass er sich damals freiwillig für diesen Auftrag gemeldet hatte.«
»Er wollte von sich aus mitmachen?«
»Sicher. Er war ein junger Bursche. Er stammte von hier und hatte wahrscheinlich mal Hollywood-Ambitionen. Wie jeder eben. Er dachte wahrscheinlich, es könnte nicht schaden, einen Tag am Set zu verbringen, der Mann zu sein, der für das Geld zuständig ist. Er meldete sich freiwillig, und ich sagte, meinetwegen, fahren Sie mit, zumal ich sowieso wollte, dass jemand aus meiner Abteilung dabei wäre. Außer Ray Vaughn natürlich, versteht sich.«
»Hat Simonson die Bank nun tatsächlich verklagt oder nur seinen Anwalt ein bisschen auf den Putz hauen lassen?«
»Er hat nur auf den
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