Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
über Leben und Sterben in L.A. brachten. Hinter all dem Glanz war jedoch auch ein gewisses Maß an Biss. Im Lauf der Jahre hatte das Magazin zwei längere Features über meine Fälle veröffentlicht, die meiner Meinung nach in der Darstellung der Folgen und Nachwirkungen eines Verbrechens für eine Familie oder ein Wohnviertel zumindest für die Verhältnisse der Medienberichterstattung der Wahrheit erstaunlich nahe gekommen waren.
    »Ich weiß nicht, warum ich das Heft überhaupt aufgehoben habe«, sagte Jones leicht verlegen, nachdem sie gerade behauptet hatte, keinen Kontakt mehr mit ihrem ehemaligen Kollegen zu haben. »Wahrscheinlich, weil ich ihn kannte. Ja, hier.«
    Sie drehte die Zeitschrift herum. Es war ein zweiseitiger Aufmacher zu einem Artikel mit der Überschrift ›Die Könige der Nacht‹. Illustriert war er mit einem Foto von vier jungen Männern, die sich hinter einer dunklen Mahagonibar aufgestellt hatten. Hinter ihnen waren Borde voller bunter von unten beleuchteter Flaschen.
    »Kann ich mir das mal ansehen?«
    Sie schlug das Heft zu und hielt es mir hin.
    »Sie können es haben. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass ich Linus noch mal wiedersehen werde. Er hat keine Zeit für mich. Er hat getan, was er angekündigt hatte, und damit hat es sich.«
    Ich sah von der Zeitschrift zu ihr auf.
    »Wie meinen Sie das? Was hat er angekündigt?«
    »Als ich ihn im Krankenhaus besuchte. Er erzählte mir, die Bank schulde ihm eine Menge Geld dafür, dass er eine Kugel in den … äh, Sie wissen schon, abgekriegt hat. Er sagte, er würde dieses Geld kriegen, bei der Bank kündigen und einen Club aufmachen. Er sagte, er würde nicht den gleichen Fehler machen, den sein Vater gemacht hatte.«
    »Sein Vater?«
    »Ich weiß nicht, was Linus damit meinte. Gefragt habe ich ihn allerdings auch nicht. Aus irgendeinem Grund war es jedenfalls sein großer Traum, einen Club zu eröffnen. Wahrscheinlich, um der König der Nacht zu werden. Was er ja auch geschafft hat.«
    In ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Sehnsucht und Neid mit. Es bekam ihr nicht gut, und ich hätte ihr gern gesagt, was ich von ihrem Helden hielt. Aber ich tat es nicht. Noch hatte ich nicht alles, was ich brauchte.
    Ich fand, ich hatte mit dem Gespräch alles erreicht, was ich erreichen konnte. Ich stand auf und hielt die Zeitschrift hoch.
    »Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben. Wollen Sie mir die auch wirklich mitgeben?«
    Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Sicher, nehmen Sie sie ruhig mit. Ich habe sie mir schon genug angesehen. Eines Tages sollte ich mich einfach in eine schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt schmeißen und hinfahren und sehen, ob ich mir Linus kurz kapern kann. Wir könnten uns über die guten alten Zeiten unterhalten, aber vermutlich will er gar nichts darüber hören.«
    »Das will niemand, Jocelyn. So gut waren die alten Zeiten nämlich nicht.«
    Ich stand auf. Ich wollte ein paar aufmunternde Worte sagen. Ich wollte ihr sagen, sie brauche nicht neidisch zu sein, denn was sie hatte und was sie erreicht hatte, war etwas, worauf sie stolz sein konnte. Doch gerade in diesem Moment startete der Hubschrauber des Sheriffs Department und schwenkte über die Straße und die Bank hinweg. Das Gebäude erzitterte wie bei einem Erdbeben und verschluckte meine Worte. Ich ließ Jocelyn Jones mit ihren Gedanken über Klassenunterschiede allein.

36
    Die Zeitschrift war sieben Monate alt. Der Artikel über Linus Simonson und seine Partner war zwar nicht die Coverstory, aber er wurde auf dem Titel unter der Überschrift ›Die Macher von Hollywoods Nachtleben‹ angekündigt. Das Feature war anlässlich der bevorstehenden Eröffnung des sechsten Clubs in der illustren Reihe von Prominententummelplätzen erschienen, die dem Quartett gehörten. Simonson wurde in dem Artikel als der König des Nachtlebens bezeichnet, als derjenige, der das ganze Imperium auf einer einzigen heruntergekommenen Kneipe aufgebaut hatte, die er mit der Abfindung aus einem Rechtsstreit gekauft hatte. Er hatte den ersten Club, der in einer kleinen Seitenstraße an der Kreuzung von Hollywood und Cahuenga Boulevard lag, von Grund auf renoviert, außerdem die Beleuchtung auf die Hälfte gedimmt und Bardamen angestellt, die sich mehr durch ihr Aussehen und ihre Tattoos auszeichneten als durch ihre Fähigkeiten im Mixen von Cocktails und im Addieren von Rechnungen. Er spielte laute Musik, verlangte 20 Dollar Eintritt und ließ niemanden rein, der

Weitere Kostenlose Bücher