Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
beteiligt? Hat er geholfen, das Geld fertig zu machen und die Seriennummern zu registrieren?«
Sie schüttelte einmal den Kopf.
»Eigentlich nicht. Er beaufsichtigte uns zwar gewissermaßen und kam oft herein, vor allem, wenn von den Filialen oder von der Federal Reserve neue Scheine ankamen. Dafür war er zuständig, glaube ich.«
»Kam er auch herein, wenn Sie beide die Nummern diktierten und in den Computer eingaben?«
»Das weiß ich nicht mehr. Aber ich denke schon. Wie gesagt, er kam oft herein. Ich glaube, er mochte Linus ganz gern und kam deshalb oft rein.«
»Wie meinen Sie das, ›er mochte Linus ganz gern‹?«
»Naja, Sie wissen schon.«
»Meinen Sie damit, Mr Vaughn war schwul?«
Sie zuckte die Achseln.
»Ich denke schon, aber auf sehr dezente Art. Er wollte es eher verbergen, schätze ich. Jedenfalls ließ er es nicht irgendwie groß raushängen.«
»Und Linus?«
»Nein, er ist nicht schwul. Deshalb war es ihm, glaube ich, auch eher ein bisschen unangenehm, dass Mr Vaughn so oft reinkam.«
»Hat er Ihnen das gesagt, oder war das nur Ihr Eindruck?«
»Nein, irgendwann mal ließ er tatsächlich etwas in dieser Richtung fallen. Irgendeine lustige Bemerkung wie, dass er noch eine Klage wegen sexueller Belästigung einreichen würde, wenn das so weiterginge. Etwas in der Art.«
Ich nickte. Ich wusste nicht, ob das für den Fall irgendetwas zu bedeuten hatte oder nicht.
»Sie haben meine erste Frage noch nicht beantwortet.«
»Wie war die gleich wieder?«
»Warum Sie dem allem so große Bedeutung beimessen. Die Nummern der Geldscheine, meine ich. Und Linus und Mr Vaughn.«
»Ach so, nein, nein. Das erscheint Ihnen nur so, weil das die Aspekte der Sache sind, mit denen Sie besonders gut vertraut sind. In Wirklichkeit versuche ich natürlich, alle Aspekte so gründlich wie möglich zu beleuchten. Hören Sie noch ab und zu von Linus?«
Die Frage schien sie zu überraschen.
»Ich? Nein. Ich habe ihn einmal im Krankenhaus besucht, unmittelbar nach dem Überfall. Er kam nicht mehr in die Bank zurück, und deshalb habe ich ihn auch nicht wiedergesehen. Wir arbeiteten zwar zusammen, aber befreundet waren wir eigentlich nicht. Wir kommen aus sehr unterschiedlichen Schichten, würde ich sagen. Ich dachte immer, dass das der Grund war, warum Mr Scaggs uns ausgesucht hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Naja, wir standen uns nicht sehr nah, und Linus war einfach, naja, Linus. Ich glaube, Mr Scaggs wählte zwei Leute aus, die unterschiedlich und nicht befreundet waren, damit wir nicht auf dumme Ideen kämen. Wegen des Geldes.«
Ich nickte, sagte aber nichts. Sie schien kurz in Gedanken zu versinken, bevor sie den Kopf schüttelte.
»Was ist los?«
»Nichts. Ich hatte nur ursprünglich vor, ihn in einem seiner Clubs zu besuchen, aber dann bekam ich Bedenken, dass sie mich wahrscheinlich nicht mal reinlassen würden. Und wenn ich gesagt hätte, ich kenne ihn, wäre es vielleicht erst richtig peinlich geworden, wissen Sie; wenn sie ihn geholt hätten und er dann so getan hätte, als könnte er sich nicht an mich erinnern oder etwas in der Art.«
»In einem seiner Clubs? Hat er denn mehr als einen?«
Sie kniff argwöhnisch die Augen zusammen.
»Sie sagten vorhin, Sie würden sich gründlichst mit allem befassen. Und jetzt wissen Sie nicht mal, wer er inzwischen ist, oder?«
Ich zuckte die Achseln.
»Wer ist er inzwischen?«
»Er ist Linus. Denn er benutzt jetzt nur noch seinen Vornamen. Er ist berühmt. Ihm und seinen Partnern gehören inzwischen die absoluten Top-Clubs in Hollywood. Da, wo die ganzen Prominenten hingehen, Sie wissen schon, sehen und gesehen werden. Lange Warteschlangen vor dem Eingang und so rote Absperrseile.«
»Wie viele Clubs gehören ihm?«
»Inzwischen, glaube ich, mindestens vier oder fünf. So genau verfolge ich das allerdings auch nicht. Angefangen haben sie mit einem, und dann kamen nach und nach immer mehr dazu.«
»Wie viel Partner sind es insgesamt?«
»Keine Ahnung. In irgendeiner Zeitschrift war mal ein größerer Bericht über sie – warten Sie, ich habe ihn, glaube ich, sogar aufgehoben.«
Sie beugte sich zur Seite und zog eine Schublade ganz unten in ihrem Schreibtisch heraus. Ich hörte sie darin herumkramen, und dann holte sie eine Ausgabe des Los Angeles Magazine heraus und begann darin zu blättern. Es war eins dieser monatlich erscheinenden Lifestyle-Magazine, die im hinteren Teil neben den Restaurantkritiken in der Regel zwei, drei längere Artikel
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