Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
zweimal bei Ihnen zu Hause angerufen.«
»Alles bestens. Ich bin in Las Vegas und komme morgen wieder zurück.«
»Woher soll ich wissen, dass das stimmt? Sie wissen schon, dass niemand Sie gefangen hält und zwingt, das zu sagen?«
»Haben Sie Anruferidentifizierung?«
»Ach ja, stimmt. Ich habe gesehen, es war eine Nummer mit sieben-null-zwo. Also gut, Harry. Und vergessen Sie nicht, mich morgen wieder anzurufen. Und verspielen Sie nicht zu viel Geld.«
»Keine Sorge.«
Als ich an unseren Tisch zurückkam, war Eleanor weg. Ich setzte mich und begann mir schon Sorgen zu machen, aber wenige Minuten später kam sie von der Toilette zurück. Als ich sie auf den Tisch zugehen sah, kam mir etwas an ihr verändert vor, aber ich konnte nicht sagen, was. Es war mehr als die Frisur und die intensivere Bräune. Es war, als strahle sie mehr Selbstbewusstsein aus, als ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht hatte sie auf dem blauen Filz der Pokertische am Strip gefunden, was sie brauchte.
Ich gab ihr das Handy, und sie steckte es in ihre Handtasche zurück.
»Und wie ist es dir hier so ergangen?«, fragte ich. »Wir haben die ganze Zeit nur über meinen Fall gesprochen. Sprechen wir doch ein bisschen über deinen Fall.«
»Ich habe keinen Fall.«
»Du weißt, was ich meine.«
Sie zuckte die Achseln.
»Es läuft dieses Jahr gut. Ich habe einen Trabanten gewonnen und einen button genommen. Ich darf jetzt in der Series mitspielen.«
Sie sprach davon, dass sie ein Qualifikationsturnier für die World Series of Poker gewonnen hatte. Als wir das letzte Mal über Poker gesprochen hatten, hatte sie mir erzählt, ihr großer Wunschtraum sei, als erste Frau die World Series zu gewinnen. Wer ein Qualifikationsturnier gewinnt, kann entweder den Geldpreis nehmen oder einen so genannten button , mit dem man die Zulassung für die World Series erwirbt.
»Das ist doch das erste Mal, dass du dich für die Series qualifiziert hast, oder?«
Sie nickte und lächelte, und ich konnte sehen, dass sie stolz und aufgeregt war.
»Sie geht in Kürze los.«
»Na, dann viel Glück. Vielleicht komme ich her und sehe zu.«
»Bring mir Glück.«
»Es muss trotzdem schwierig sein, seinen Lebensunterhalt mit Kartenspielen zu verdienen.«
»Ich bin gut darin, Harry. Außerdem habe ich inzwischen Sponsoren, die dafür aufkommen.«
»Wie meinst du das?«
»Nur so läuft das heute in diesem Geschäft. Ich habe Sponsoren. Investoren. Ich spiele mit ihrem Geld. Sie bekommen fünfundsiebzig Prozent von allem, was ich gewinne. Wenn ich verliere, tragen sie den Verlust. Aber ich verliere nicht zu oft, Harry.«
Ich nickte.
»Was sind das für Leute? Sind sie … du weißt schon?«
»Seriös? Ja, Harry, absolut. Es sind Geschäftsleute. Microsoft-Typen. Aus Seattle. Ich habe sie kennen gelernt, als sie mal zum Spielen hier waren. Bisher haben sie Gewinn mit mir gemacht. So, wie im Moment die Situation an der Börse ist, investieren sie lieber in mich. Sie sind zufrieden, und ich bin es auch.«
»Gut.«
Ich dachte an das Geld, das Alex Taylor mir angeboten hatte. Und dann gab es noch die Belohnung der Versicherungsgesellschaft. Wenn es mir gelang, den Fall zu lösen, etwas von dem geraubten Geld wiederzubeschaffen und meine Ansprüche auf die Belohnung geltend zu machen, könnte ich ihr Sponsor sein. Es war ein Hirngespinst. Außerdem war fraglich, ob sie mein Geld überhaupt nehmen würde.
»Woran denkst du gerade?«, fragte sie. »Du wirkst irgendwie so bedrückt.«
»Ach, nichts. Ich musste nur kurz an den Fall denken. Etwas, das ich den Ermittler der Versicherung morgen fragen muss.«
Der Kellner brachte die Rechnung, und nachdem mir Eleanor meine AmEx-Karte zurückgegeben hatte, zahlte ich. Wir verließen das Lokal und ließen uns das Auto bringen, und ich sah nach, ob meine Tasche noch da war. Wir fuhren zum Bellagio, und obwohl es nur ein kurzes Stück dorthin war, brauchten wir wegen des Verkehrs sehr lang. Ich wurde nervös, als wir uns dem Hotelcasino näherten, denn ich wusste nicht, was passieren würde, wenn wir es erreichten. Ich sah auf die Uhr. Es war fast zehn.
»Wann fängst du normalerweise zu spielen an?«
»Meistens gegen Mitternacht.«
»Warum spielst du immer so spät nachts? Wieso nicht am Tag?«
»Die richtigen Spieler kommen erst nachts. Wenn die Touristen schlafen gehen. Dann liegt mehr Geld auf dem Tisch.«
Eine Weile fuhren wir schweigend weiter, und schließlich fügte sie hinzu, als wäre es zu keiner
Weitere Kostenlose Bücher