Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
machen wir beide.«
»Nee, ich halte mich lieber im Hintergrund.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich. Vergiss nur meine Handschellen nicht.«
»Okay, Harry.«
Der Parkplatz war zugestellt mit Übertragungswagen, die ihre Satellitenschüsseln voll ausgefahren hatten. Nur den Platz vor der Rampe hatten sie frei gelassen. Bosch fuhr darauf zu und hielt an.
»Okay, alles klar da hinten, Jessup?«, sagte Chu. »Dann wollen wir mal.«
Jessup reagierte nicht. Chu öffnete die Tür und stieg aus. Dann machte er Jessup die hintere Tür auf.
Bosch beobachtete das nun folgende Spektakel aus dem Wageninnern.
5
Dienstag, 16. Februar, 16:14 Uhr
E iner der größten Vorteile, mit Maggie McPherson verheiratet gewesen zu sein, bestand darin, dass ich vor Gericht nie gegen sie hatte antreten müssen. Die eheliche Trennung schuf einen Interessenkonflikt, der mir sicher mehr als eine berufliche Niederlage und Demütigung von ihren Händen erspart hatte. Sie war ohne Übertreibung die beste Anklagevertretung, mit der ich es jemals vor Gericht aufgenommen hatte, und sie wurde nicht umsonst Maggie McFierce genannt.
Doch jetzt ständen wir vor Gericht zum ersten Mal auf derselben Seite und säßen am selben Tisch. Doch was zunächst nach einer hervorragenden Idee ausgesehen hatte – ganz zu schweigen von einer potenziell außerordentlich lohnenden Sache für Maggie –, begann sich bereits als etwas Schartiges und mit Reibereien Verbundenes zu entpuppen. Maggie hatte Probleme damit, die zweite Geige zu spielen. Und das durchaus zu Recht. Sie war von Beruf Staatsanwältin und hatte von Drogendealern und Dieben bis hin zu Sexualverbrechern und Mördern Dutzende von Kriminellen hinter Gitter gebracht. Auch ich war in Dutzenden von Prozessen aufgetreten, aber kein einziges Mal als Ankläger. Maggie musste also einem Anfänger sekundieren, und diese Vorstellung stieß ihr sauer auf.
Wir saßen in Konferenzzimmer A und hatten die Akten zu dem Fall auf dem großen Tisch ausgebreitet. Williams hatte zwar gesagt, ich könnte das Verfahren von meinem eigenen Büro aus leiten, Tatsache aber war, dass das im Moment nicht praktikabel war. Außerhalb meines Hauses hatte ich kein Büro. In erster Linie benutzte ich den Rücksitz meines Lincoln Town Car als Kanzlei, aber bei
Das Volk gegen Jason Jessup
ging das nicht. Ich hatte meine Sekretärin zwar bereits mit der vorübergehenden Anmietung eines Büros in Downtown beauftragt, aber es wäre frühestens in ein paar Tagen bezugsfertig. Deshalb saßen wir erst einmal mit gesenkten Blicken in angespanntem Schweigen da.
»Maggie«, begann ich schließlich, »ich gebe gerne zu, dass ich dir in Sachen Strafverfolgung nicht das Wasser reichen kann. Aber die Sache ist die: Da es hier nicht nur um Strafverfolgung allein geht, sondern auch noch die Politik massiv hereinspielt, haben die zuständigen Stellen mir die Leitung des Verfahrens übertragen. So ist es nun mal, und wir können das akzeptieren oder nicht. Ich habe diesen Auftrag nur unter der Bedingung angenommen, dass du mir dabei zur Seite gestellt wirst. Wenn du jetzt allerdings meinst, wir …«
»Mir gefällt nur die Vorstellung nicht, dir hier von Anfang bis Ende die Aktentasche tragen zu müssen«, entgegnete Maggie.
»Das musst du ja auch nicht. Pressekonferenzen und sonstige öffentliche Auftritte sind eine Sache, aber ansonsten gehe ich fest davon aus, dass wir vollkommen gleichberechtigt zusammenarbeiten werden. Du wirst bestimmt einen genauso großen Anteil an den Ermittlungen übernehmen wie ich, wenn nicht sogar einen größeren. Und beim Prozess wird es sich kaum anders verhalten. Wir lassen uns eine Strategie einfallen und arbeiten sie auch im Detail gemeinsam aus. Aber du musst schon auch ein wenig Vertrauen in mich haben. Ich weiß, worauf es vor Gericht ankommt. Nur stehe ich diesmal auf der anderen Seite.«
»Genau das ist der Punkt, in dem du dich täuschst, Mickey. Als Verteidiger bist du einer einzigen Person verantwortlich. Deinem Mandanten. Als Ankläger dagegen vertrittst du das Volk, und das bringt wesentlich mehr Verantwortung mit sich. Nicht umsonst spricht man deshalb von der Beweis
last.
«
»Na schön. Wenn du damit sagen willst, dass ich für diese Aufgabe nicht der Richtige bin, bist du mit deinen Bedenken bei mir an der falschen Adresse. In diesem Fall solltest du lieber den Flur runtergehen und mit deinem Chef reden. Wenn er mir dann allerdings den Fall entzieht, wird er auch dir entzogen, und dann kannst du
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