Harry Dresden 08 - Schuldig
hinterlassen, das aus dem ewigen Misstrauen, das man mir entgegenbrachte, und einigen weiteren unerfreulichen Überraschungen, die mir in regelmäßigen Abständen ins Gesicht sprangen, bestand.
Murphy betrachtete mich mit ruhigen, ernsten, blauen Augen. „Das ist eine ganz schön große Frage, nicht?“, flüsterte sie.
Ich nickte langsam. „Vielleicht machst du dir zu viele Gedanken, Murph“, antwortete ich. „Logik, Vernunft und ständige Zukunftsplanung. Dein Herz weiß es besser.“
„Der Meinung war ich auch mal.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich hatte Unrecht. Man lebt nicht von Luft und Liebe, und ich kann mir uns beide zusammen einfach nicht vorstellen. Du bedeutest mir viel. Ich könnte mir keinen feineren Freund vorstellen. Ich würde für dich durchs Feuer gehen.“
„Das bist du schon“, antwortete ich.
„Aber ich glaube nicht, dass ich dir je die Liebe schenken könnte, die du dir wünschst. Wir passen nicht zueinander.“
„Warum nicht?“
„Weil wir zu verschieden sind“, entgegnete sie leise. „Du wirst sehr lange leben, wenn dich niemand tötet. Jahrhunderte. Ich werde höchstens noch vierzig, fünfzig Jahre hier sein.“
„Ja“, sagte ich. Das war eines der Dinge, bei denen ich mir jede erdenkliche Mühe gab, mir nicht zu sehr den Kopf darüber zu zerbrechen.
Dann fuhr sie noch leiser fort: „Ich weiß auch nicht, ob ich je wieder etwas Ernsthaftes mit einem Mann anfange. Aber wenn doch … will ich mit jemandem zusammen sein, der mit mir eine Familie gründen will. Mit mir alt werden.“
Sie hob die Hand und strich mit ihren warmen Fingern über meine Wange. „Du bist ein rechtschaffener Mann, Harry. Aber du kannst nicht das sein, was ich suche.“
Murphy nahm ihren Daumen von dem Knopf und stieg aus dem Lift.
Ich folgte ihr nicht sofort.
Zustechen. Den Dolch in der Wunde umdrehen.
Gott, wie ich es liebte, ein Magier zu sein.
23. Kapitel
D er Raum fügte sich nahtlos in meine bisherige Erfahrung mit Hotelzimmern ein: schön, glatt und leblos. Ich ließ das Rollo herunter, blickte mich um, schob das kleine Tischchen aus der Raummitte an eine Wand, um Platz zu schaffen und warf meinen Rucksack aufs Bett.
„Brauchst du noch etwas?“, erkundigte sich Murphy. Sie war auf der Schwelle zum Hotelzimmer stehengeblieben. Ich sah ihr an, dass sie nicht hereinkommen wollte.
„Ich glaube, ich habe alles. Ich brauche jetzt nur ein bisschen Ruhe, um alles vorzubereiten.“ Ich sah keinen Grund, Murphy einen Ausweg aus der peinlichen Stimmung zu verwehren, die das Ergebnis unserer Unterhaltung war. „Aber da gibt es etwas, was mich interessiert. Vielleicht könntest du dich darum kümmern.“
„Pells Kino“, riet Murphy. Ich hörte deutlich die Erleichterung in ihrer Stimme.
„Ja, vielleicht könntest du dort mal vorbeischauen. Möglicherweise kannst du irgendwas herausfinden.“
Sie sah mich gedankenvoll an. „Glaubst du, dort könnte etwas sein?“
„Noch weiß ich nicht genug, um irgendetwas zu glauben, aber es ist immerhin möglich“, antwortete ich. „Wenn dir irgendetwas seltsam vorkommt, verschwinde von dort – und jetzt verdufte.“
„Mach dir keine Sorgen“, sagte sie. „Genau das war mein Plan.“ Sie ging zur Tür. „Sollte nicht allzu lange dauern. Ich werde mich mit dir in, sagen wir, einer halben Stunde wieder in Verbindung setzen?“
„Klingt gut“, antwortete ich. Keiner von uns sprach aus, was wir beide dachten – dass Murphy höchstwahrscheinlich tot war, im Sterben lag oder noch Schlimmeres, sollte sie sich in der ausgemachten Zeit nicht melden. „Bis in einer halben Stunde.“
Sie nickte und ging, wobei sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Mouse trabte zur Tür und schnupperte am Knauf, bevor er sich dreimal um sich selbst drehte und zu Boden sinken ließ, um ein Nickerchen zu halten. Missmutig sah ich auf den Teppich hinunter und öffnete meinen Rucksack. Mit Kreide würde ich auf so einem Teppich keinen Kreis zu Stande bringen. Als Alternative stand mir feiner, weißer Sand zur Verfügung. Die Zimmermädchen würden beim Säubern des Raumes einen Tobsuchtsanfall bekommen, aber das Leben konnte manchmal ganz schön hart sein. Ich kramte eine Glasflasche hervor, in die spezieller Sand abgefüllt war, und stellte sie auf den Tisch. Dann folgten die Dose mit dem blauen Knet und Bob der Schädel.
Orange Lichter flammten in den Augenhöhlen des Totenkopfes auf. „Darf ich jetzt etwas sagen?“
„Klar“, bejahte ich.
Weitere Kostenlose Bücher