Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
Blick zu, packte den Schießprügel und schob ihn in ein kleines Fach an der Harley, das verdächtig passend für die kurze Waffe war. Ich hielt mich mit der jetzt freien Hand an ihr fest, mit der anderen passte ich auf, dass mein Mantel mich nicht erwürgte.
„Wo lang?“, rief sie zu mir nach hinten.
„Nach Süden! So schnell du kannst!“
Sie stampfte einen ihrer Füße auf, drehte ein Handgelenk, und die Harley, die bisher etwa fünfzig gefahren war, schnellte vorwärts, als hätte sie sich zuvor gar nicht bewegt.
Ich warf einen schnellen Blick über meine Schulter und sah die vordersten Teilnehmer der Jagd langsam zurückfallen. Die wilde Jagd hatte wohl noch nie etwas von Harley-Davidson gehört.
Aber Karrin konnte das Tempo nicht halten, nicht mal auf einer breiten Straße in Chicago bei kühlem, regnerischen Wetter. Es waren einfach zu viele andere Menschen dort, die sie zwangen, sich durch den Verkehr zu fädeln, und sie musste langsamer werden, um uns nicht über eine Familienlimousine zu verteilen. Als sie wild Spuren wechselte, begannen empörte Autohupen zu ertönen, sie fügten dem Horn der wilden Jagd eine aggressive Note bei.
„Wie machen wir uns?“, rief sie.
Ich blickte zurück. Die wilde Jagd war weniger als einen Kilometer entfernt – und sie musste sich nicht in den Verkehr einfädeln. Die Idioten jagten etwa fünfzehn Meter über dem gottverdammten Boden entlang, hoch in Dunkelheit und Regen, ungesehen vom Großteil der Menschen, die ihrer täglichen Arbeit nachgingen. „Die mogeln! Fahr schneller! Fahr irgendwo ins Unterholz!“
Karrin drehte den Kopf weit genug, um mich aus dem Augenwinkel zu sehen. „Hast du einen Plan?“
„Es ist kein guter Plan!“, rief ich. „Aber ich brauche ein großes, offenes Gebiet, damit er klappt, fernab der Leute!“
„In Chicago?“, rief sie. Dann weiteten sich ihre Augen. „Die Mills?“
„Fahr!“, schrie ich. Karrin überfuhr eine rote Ampel, vermied nur knapp ein linksabbiegendes Auto und setzte ihre rasende Fahrt am Lakeshore Drive entlang fort.
Chicago war eine Stadt fantastischer Bedrüfnisse. Das Bedürfnis nach militärischer Präsenz hatte geholfen, die Forts der frühen Kolonialzeit zu errichten, die wiederum Sicherheit für die weißen Siedler, Händler und Missionare bedeutet hatten. Sie bauten Häuser, Kirchen und Geschäfte, die wir mit der Zeit zunächst zu einem Ort ausbauten, dann zu einer Stadt. Chicagos Position als größter Umschlagplatz der neugeborenen amerikanischen Nation bedeutete, dass mehr und mehr Leute kamen, mehr Häuser, Geschäfte und schließlich Schwerindustrie errichteten.
Ende des neunzehnten Jahrhunderts war Chicago eine boomende Industriestadt – und seine Walzwerke waren nahezu legendär. U. S. Steel, Youngstown Steel, Wisconsin Steel, Republic Steel, sie alle gediehen und wuchsen am Ufer des Lake Michigan, unten bei Calumet City. Das Seeufer in diesem gesamten Gebiet wurde begradigt, um den Stahlwerken Platz zu bieten, und ein Großteil des Stahls, der die Bemühungen der Alliierten in den beiden Weltkriegen antrieb, stammte aus diesem recht kleinen Gebiet der Stadt.
Aber all diese Dinge welkten früher oder später dahin. Die amerikanische Stahlindustrie begann, zu schwächeln und zu schwinden, und am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts war alles, was von einem Stahlepizentrum blieb, ein langes Stück Industriebrache voller zerfallender Gebäude am Ufer des Lake Michigan. Zehn Jahre danach begann die Stadt, den Bereich aufzuräumen, riss die meisten Gebäude und Aufbauten ab – aber hier und da verblieben Stein- und Betonruinen, ähnlich der Knochen eines großen Tieres, die von Aasfresser abgenagt hatten. Während Chicago überall gedieh, wuchs dort nicht viel – nur Unkraut und Immobilienwerte.
Dieser Uferbereich war für den Wiederaufbau vorgesehen, aber noch war das nicht passiert, und aktuell war es eine verdorrte Heidelandschaft, ein flaches, dunkles, leeres und verlassene Stück Land, das mit einsamen Erinnerungen an frühere Größe gesprenkelt war. Es gab dort keinen Schutz vor Regen oder Kälte, und in einer abscheulichen Nacht wie dieser sollte sich dort niemand aufhalten.
Wir mussten es nur soweit schaffen.
Wir rasten am Museum der Wissenschaft und Industrie zu unserer Rechten vorbei, dann jagten wir über die Brücke über den Yachthafen in der 59. Straße und kamen in einen Teil der Straße, der nur wenig Abstand zwischen sich und den nächstgelegenen Gebäuden hatte und
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