Harry Potter - Gesamtausgabe
ausgedrückt hatte? Die milden Tage im Mai glitten sanft dahin, und jedes Mal, wenn Harry Ginny sah, schien Ron an seiner Seite zu sein. Harry merkte, dass er sich regelrecht nach einem Glückstreffer sehnte, der Ron irgendwie dazu brachte, zu erkennen, dass ihn nichts mehr freuen würde, als wenn sein bester Freund und seine Schwester sich ineinander verliebten und wenn er sie für mehr als ein paar Sekunden allein ließe. Doch während das letzte Quidditch-Spiel der Saison näher rückte, schien beides aussichtslos; Ron wollte mit Harry ständig über die Taktik reden und hatte kaum etwas anderes im Kopf.
Ron war, was das betraf, nicht der Einzige; in der ganzen Schule herrschte brennendes Interesse am Spiel Gryffindor–Ravenclaw, denn die Begegnung würde die noch völlig offene Meisterschaft entscheiden. Wenn die Gryffindors Ravenclaw mit dreihundert Punkten Vorsprung schlugen (eine hohe Vorgabe, und doch hatte Harry seine Leute nie besser fliegen sehen), dann würden sie die Meisterschaft gewinnen. Wenn sie mit weniger als dreihundert Punkten Vorsprung gewannen, würden sie nach Ravenclaw Zweiter werden; wenn sie mit hundert Punkten Abstand verloren, würden sie hinter Hufflepuff Dritter werden, und wenn sie noch höher verloren, würden sie auf dem vierten Platz landen, und niemand, überlegte Harry, würde ihn jemals vergessen lassen, dass er es gewesen war, der die Gryffindors als Kapitän zum ersten Mal seit zweihundert Jahren mit einer Niederlage ans Tabellenende geführt hatte.
Im Vorfeld dieses entscheidenden Spiels gab es das übliche Geplänkel: Die Schüler der rivalisierenden Häuser versuchten die gegnerischen Mannschaften in den Korridoren einzuschüchtern; gehässige Sprechchöre über einzelne Spieler wurden laut geübt, wenn sie vorübergingen; die Spieler selbst stolzierten herum und genossen all die Aufmerksamkeit, oder sie stürzten zwischen den Unterrichtsstunden aufs Klo und übergaben sich. Irgendwie hatte sich das Spiel in Harrys Kopf fest mit dem Erfolg oder dem Scheitern seiner Pläne mit Ginny verwoben. Das Gefühl ließ ihn nicht los, dass der ausgelassene Jubel und eine nette laute Party nach einem Spiel, das sie mit mehr als dreihundert Punkten Abstand gewonnen hatten, vielleicht genauso gut wirken würden wie ein herzhafter Schluck Felix Felicis.
Inmitten all seiner Vorbereitungen hatte Harry sein anderes Ziel nicht vergessen: herauszufinden, was Malfoy im Raum der Wünsche ausheckte. Er suchte unentwegt die Karte des Rumtreibers ab, und da er Malfoy oft nicht darauf entdecken konnte, kam er zu dem Schluss, dass er immer noch viel Zeit dort verbrachte. Obwohl Harry allmählich die Hoffnung verlor, dass er es jemals schaffen würde, in den Raum zu gelangen, versuchte er es, wann immer er in der Nähe war, doch wie er seinen Wunsch auch formulierte, die Wand blieb beharrlich türlos.
Wenige Tage vor dem Spiel gegen Ravenclaw befand sich Harry allein auf dem Weg vom Gemeinschaftsraum hinunter zum Abendessen, da Ron ins nächste Klo gestürmt war, um sich wieder einmal zu übergeben, und Hermine eilends verschwunden war, um Professor Vektor wegen eines Fehlers aufzusuchen, den sie möglicherweise in ihrem letzten Arithmantikaufsatz gemacht hatte. Eher aus Gewohnheit machte Harry seinen üblichen Umweg durch den Korridor im siebten Stock und überprüfte unterwegs die Karte des Rumtreibers. Im ersten Moment konnte er Malfoy nirgends finden und nahm an, dass er tatsächlich wieder im Raum der Wünsche sein musste, doch dann sah er Malfoys winziges beschriftetes Pünktchen in einem Jungenklo ein Stockwerk tiefer, nicht in Gesellschaft von Crabbe und Goyle, sondern bei der Maulenden Myrte.
Harry hörte erst auf, diese unwahrscheinliche Zusammenstellung anzustarren, als er geradewegs gegen eine Rüstung stieß. Das laute Scheppern riss ihn aus seinen Träumen; er machte sich rasch davon, aus Furcht, dass Filch auftauchen könnte, jagte die Marmortreppe hinunter und den Korridor einen Stock tiefer entlang. Als er das Klo erreicht hatte, legte er sein Ohr an die Tür. Er konnte nichts hören. Ganz leise drückte er die Tür auf.
Draco Malfoy stand mit dem Rücken zur Tür, die Hände seitlich an das Waschbecken geklammert, den weißblonden Kopf vornübergebeugt.
»Nicht doch«, ertönte die mitleidige Stimme der Maulenden Myrte aus einer der Kabinen. »Nicht doch … sag mir, was dir fehlt … ich kann dir helfen …«
»Keiner kann mir helfen«, sagte Malfoy. Sein ganzer Körper
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