Harry Potter - Gesamtausgabe
über die Lippen, dass er meinte, sie tief im Innern immer schon gewusst zu haben: Vielleicht war sein jüngster Zusammenstoß mit Nagini nötig gewesen, um es zu begreifen. Er betrachtete das gewundene »S«, in das funkelnde grüne Steine eingelegt waren: Es war leicht, sich darin eine winzige Schlange vorzustellen, die sich auf dem kalten Stein ringelte.
»Nein«, sagte Ron, »nein, mach es nicht auf! Im Ernst!«
»Warum nicht?«, fragte Harry. »Lass uns das verfluchte Ding loswerden, seit Monaten –«
»Ich kann nicht, Harry, ehrlich – mach du es –«
»Aber warum?«
»Weil dieses Ding schlecht für mich ist!«, sagte Ron und wich vor dem Medaillon auf dem Stein zurück. »Ich krieg das nicht hin! Das soll keine Ausrede dafür sein, dass ich so drauf war, Harry, aber es hat mir mehr zugesetzt als dir und Hermine, es hat mich lauter Sachen denken lassen, Sachen, die ich sowieso gedacht hab, aber es hat alles schlimmer gemacht, ich kann es nicht erklären, und wenn ich es dann abgenommen hab, war ich wieder klar im Kopf, und dann musste ich mir das verdammte Ding wieder umhängen – ich schaff es nicht, Harry!«
Er war kopfschüttelnd zurückgewichen, das Schwert neben sich über den Boden schleifend.
»Du kannst es schaffen«, sagte Harry, »du kannst! Du hast dir gerade das Schwert geholt, ich weiß, du musst derjenige sein, der es benutzt. Bitte, schlag das Ding einfach kaputt, Ron.«
Der Klang seines Namens schien ihn anzuspornen. Ron schluckte und ging dann, immer noch schwer durch seine lange Nase atmend, wieder auf den Stein zu.
»Sag mir, wann«, krächzte er.
»Bei drei«, sagte Harry, blickte wieder hinunter auf das Medaillon, kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf den Buchstaben »S«, wobei er sich eine Schlange vorstellte, während es im Medaillon scharrte, als wäre eine Kakerlake darin gefangen. Man hätte leicht Mitleid damit haben können, wenn der Schnitt rund um Harrys Hals nicht immer noch gebrannt hätte.
»Eins … zwei … drei … öffne dich.«
Das letzte Wort war ein Zischen und ein Fauchen, und die goldenen Türchen des Medaillons schwangen mit einem leisen Klicken auseinander.
Hinter jedem der beiden Glasfenster im Medaillon blinzelte ein lebendiges Auge, dunkel und hübsch, wie Tom Riddles Augen es gewesen waren, ehe er sie scharlachrot und die Pupillen zu Schlitzen gemacht hatte.
»Stich zu«, sagte Harry und hielt das Medaillon auf dem Stein fest.
Ron hob mit zitternden Händen das Schwert: Die Spitze hing über den hektisch hin und her huschenden Augen, und Harry hatte das Medaillon sicher im Griff, war auf alles gefasst, sah schon Blut aus den leeren Fenstern quellen.
Dann zischte eine Stimme aus dem Horkrux.
»Ich habe dein Herz gesehen und es ist meines.«
»Hör nicht hin!«, sagte Harry barsch. »Erstich es!«
»Ich habe deine Träume gesehen, Ronald Weasley, und ich habe deine Ängste gesehen. Alles, was du begehrst, ist möglich, aber alles, was du fürchtest, ist ebenfalls möglich …«
»Stich zu!«, schrie Harry; seine Stimme hallte von den Bäumen ringsum wider, die Schwertspitze zitterte, und Ron starrte hinab in Riddles Augen.
»Am wenigsten geliebt, schon immer, von der Mutter, die sich eine Tochter ersehnte … am wenigsten geliebt, auch jetzt, von dem Mädchen, das deinen Freund bevorzugt … Zweitbester, immer, ewig im Schatten …«
»Ron, erstich es jetzt!«, brüllte Harry: Er spürte, wie das Medaillon in seinen Händen bebte, und hatte Angst vor dem, was gleich kommen würde. Ron hob das Schwert noch höher und dabei leuchteten Riddles Augen scharlachrot auf.
Aus den beiden Fenstern des Medaillons, aus den Augen, wuchsen wie zwei groteske Blasen die Köpfe von Harry und Hermine heraus, seltsam verzerrt.
Ron schrie schockiert auf und wich zurück, als die Gestalten aus dem Medaillon hervorsprossen, zuerst die Brust, dann die Hüfte, dann die Beine, bis sie schließlich in dem Medaillon standen, Seite an Seite wie Bäume mit einer gemeinsamen Wurzel, und über Ron und dem echten Harry schwankten, der die Finger von dem Medaillon weggerissen hatte, da es plötzlich weiß glühte.
»Ron!«, rief er, doch der Riddle-Harry sprach jetzt mit Voldemorts Stimme, und Ron starrte wie hypnotisiert in sein Gesicht.
»Warum bist du zurück? Es ging uns besser ohne dich, wir waren glücklicher ohne dich, froh, dass du weg warst … wir haben über deine Dummheit gelacht, über deine Feigheit, deine Aufgeblasenheit
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