Harry Potter - Gesamtausgabe
hören, dass ich mit einer gebrechlichen und labilen Schwester im Schlepptau nicht aufbrechen konnte, um nach Heiligtümern zu suchen.
Aus dem Streit wurde ein Kampf. Grindelwald verlor die Kontrolle. Was ich immer in ihm vermutet hatte, auch wenn ich das Gegenteil vortäuschte, es wurde nun schreckliche Realität. Und Ariana … nach all der Pflege und Umsicht meiner Mutter … lag tot am Boden.«
Dumbledore keuchte leise, dann begann er richtig zu weinen. Harry streckte die Hand aus und war froh, als er merkte, dass er ihn berühren konnte: Er packte ihn fest am Arm und Dumbledore fasste sich allmählich wieder.
»Nun, Grindelwald floh, wie jeder außer mir es hätte vorhersagen können. Er verschwand, mit seinen Plänen zur Machtübernahme und seinen Vorhaben, Muggel zu foltern, und seinen Träumen von den Heiligtümern des Todes, Träumen, in denen ich ihn bestärkt, bei denen ich ihn unterstützt hatte. Er rannte davon, während ich zurückblieb, um meine Schwester zu beerdigen und zu lernen, mit meiner Schuld zu leben und meiner schrecklichen Trauer, dem Preis für meine Schmach.
Jahre vergingen. Es gab Gerüchte über ihn. Es hieß, er hätte sich einen Zauberstab von ungeheurer Macht verschafft. Mir wurde unterdessen der Posten des Zaubereiministers angeboten, nicht ein Mal, sondern mehrere Male. Natürlich lehnte ich ab. Ich hatte gelernt, dass man mir keine Macht anvertrauen sollte.«
»Aber Sie wären besser gewesen, viel besser als Fudge oder Scrimgeour!«, platzte Harry heraus.
»Wäre ich das?«, fragte Dumbledore bedrückt. »Ich bin mir da nicht so sicher. Ich hatte als ganz junger Mann bewiesen, dass Macht meine Schwäche und meine Versuchung war. Es ist merkwürdig, Harry, aber diejenigen, die nie nach Macht strebten, sind vielleicht am besten geeignet sie auszuüben. Diejenigen, denen die Führung aufgedrängt wird wie dir und die dann das Zepter übernehmen, weil sie es müssen, und zu ihrer eigenen Überraschung feststellen, dass es ihnen gut steht.
In Hogwarts war ich sicherer. Ich glaube, ich war ein guter Lehrer –«
»Sie waren der beste –«
»Das ist sehr nett von dir, Harry. Aber während ich mich mit der Ausbildung junger Zauberer beschäftigte, stellte Grindelwald eine Armee auf. Es heißt, er fürchtete mich, und vielleicht tat er es auch, aber ich denke, weniger, als ich ihn fürchtete.
Oh, nicht den Tod«, sagte Dumbledore auf Harrys fragenden Blick hin. »Nicht das, was er mir als Magier hätte antun können. Ich wusste, dass wir ebenbürtig waren, dass ich vielleicht eine Spur geschickter war. Es war die Wahrheit, die ich fürchtete. Verstehst du, ich wusste nie, wer von uns in diesem letzten, grauenhaften Kampf tatsächlich den Fluch geschleudert hatte, der meine Schwester tötete. Du magst mich feige nennen: Du hättest Recht. Harry, ich fürchtete vor allem zu erfahren, dass ich es gewesen war, der ihren Tod herbeigeführt hatte, nicht nur durch meinen Hochmut und meine Dummheit, sondern dass ich ihr tatsächlich den Schlag versetzt hatte, der ihr Leben auslöschte.
Ich glaube, er wusste es, ich glaube, er wusste, wovor ich Angst hatte. Ich schob die Begegnung mit ihm hinaus, bis es schließlich eine zu große Schmach gewesen wäre, mich noch länger zu sträuben. Menschen starben, und es hatte den Anschein, als wäre er nicht aufzuhalten, und ich musste tun, was in meiner Kraft stand.
Nun, du weißt, was dann passierte. Ich gewann das Duell. Ich gewann den Zauberstab.«
Erneut trat Stille ein. Harry fragte nicht, ob Dumbledore jemals herausfand, wer Ariana tödlich getroffen hatte. Er wollte es nicht wissen, und noch weniger wollte er, dass Dumbledore es ihm sagen musste. Endlich wusste er, was Dumbledore gesehen hätte, wenn er in den Spiegel Nerhegeb geblickt hätte, und warum Dumbledore so gut verstanden hatte, dass der Spiegel Harry derart faszinierte.
Sie saßen eine lange Zeit schweigend da und das Wimmern der Kreatur hinter ihnen störte Harry kaum noch.
Endlich sagte er: »Grindelwald hat versucht Voldemort bei seiner Jagd nach dem Zauberstab aufzuhalten. Er hat gelogen, wissen Sie, er hat so getan, als hätte er ihn nie besessen.«
Dumbledore nickte und sah hinunter auf seinen Schoß, auf seiner Hakennase glitzerten immer noch Tränen.
»Es heißt, er habe in späteren Jahren Reue gezeigt, allein in seiner Zelle in Nurmengard. Ich hoffe, das ist wahr. Mir würde der Gedanke gefallen, dass er das Grauen und das Schandhafte dessen, was er getan hatte,
Weitere Kostenlose Bücher