Harry Potter und der Feuerkelch
ein Schlafelixier verpasst und dachten, es wäre besser für sie, wenn sie nachts und in aller Ruhe aufwachen – aber wie du gesehen hast, waren sie nicht glücklich, überhaupt nicht glücklich –«
»Welche Arten hast du denn hier, Charlie?«, fragte Hagrid und starrte den in der Nähe liegenden Drachen – es war der schwarze – mit beinahe ehrfürchtiger Miene an. Die Augen des Drachen waren nur noch einen Schlitz breit offen. Unter seinem runzligen schwarzen Augenlid konnte Harry einen gelb glühenden Streifen sehen.
»Das ist ein Ungarischer Hornschwanz«, sagte Charlie. »Dort drüben ist ein Gemeiner Walisischer Grünling, der kleine da – dieser blaugraue – ist ein Schwedischer Kurzschnäuzler und der rote dort ist ein Chinesischer Feuerball.«
Charlie wandte sich um; Madame Maxime hatte sich entfernt und schlenderte, die betäubt daliegenden Drachen musternd, an der Einfriedung des Geheges entlang.
»Ich wusste nicht, dass du sie mitbringen würdest, Hagrid«, sagte Charlie stirnrunzelnd. »Die Champions sollen nicht wissen, was sie erwartet – sie erzählt es sicher ihrer Schülerin, oder?«
»Dachte mir nur, sie würd sie gern sehen«, sagte Hagrid achselzuckend, ohne jedoch seinen träumerischen Blick von den Drachen abzuwenden.
»Wirklich ’ne romantische Verabredung, Hagrid«, sagte Charlie kopfschüttelnd.
»Vier …«, sagte Hagrid, »also einen für jeden Champion? Was müssen sie tun – gegen sie kämpfen?«
»Nur an ihnen vorbeikommen, glaub ich«, sagte Charlie. »Wir sind dabei, falls es ernst werden sollte, und halten die Feuerlöschzauber ständig bereit. Sie wollten brütende Weibchen haben, ich weiß nicht, warum … aber ich sag dir, wer es mit dem Hornschwanz zu tun kriegt, der ist nicht zu beneiden. Bösartiges Vieh. Sein Hinterteil ist genauso gefährlich wie die Schnauze, sieh nur.«
Charlie deutete auf das Hinterteil des Hornschwanzes, und Harry konnte erkennen, dass der Schwanz des Drachen über und über mit bronzenen Stacheln gespickt war.
In diesem Moment wankten fünf von Charlies Wärterkollegen auf den Hornschwanz zu, die zwischen sich ein Tuch aufgespannt hielten, auf dem ein Gelege aus mächtigen granitgrauen Eiern lag. Sie legten die Eier vorsichtig an den Bauch des Hornschwanzes. Hagrid stöhnte sehnsuchtsvoll auf.
»Ich hab sie zählen lassen, Hagrid«, sagte Charlie streng. »Wie geht’s eigentlich Harry?«
»Gut«, sagte Hagrid. Seine Augen ruhten immer noch auf den Eiern.
»Ich hoffe nur, es geht ihm auch noch gut, nachdem er sich mit dieser Meute hier herumgeschlagen hat«, sagte Charlie grimmig und ließ den Blick über die Drachenkoppel schweifen. »Ich hab mich nicht mal getraut, Mum zu sagen, was er bei der ersten Aufgabe tun muss, sie kriegt ohnehin Zustände, wenn sie an ihn denkt …« Charlie ahmte jetzt die besorgte Stimme seiner Mutter nach. »›Wie konnten sie es nur zulassen, dass er an diesem Turnier teilnimmt, er ist noch viel zu jung! Ich dachte, sie wären davor sicher, es gab doch eine Altersbegrenzung!‹ Nachdem sie diesen Artikel über ihn im Tagespropheten gelesen hatte, war sie vollkommen aufgelöst. ›Er weint immer noch wegen seiner Eltern! Oh, der Arme, wenn ich das gewusst hätte!‹«
Harry hatte jetzt genug gesehen. Hagrid hatte immerhin vier leibhaftige Drachen und Madame Maxime, denen er seine Aufmerksamkeit schenken konnte, und so würde er Harry sicher nicht vermissen. Er drehte sich geräuschlos um und machte sich auf den Rückweg zum Schloss.
Er wusste nicht, ob er froh sein sollte, gesehen zu haben, was auf ihn zukam. Vielleicht war es besser so. Den ersten Schreck hatte er schon überstanden. Wenn er die Drachen am Dienstag zum ersten Mal gesehen hätte, dann wäre er womöglich vor aller Augen ohnmächtig geworden … vielleicht jedoch würde ihm das ohnehin passieren … er würde mit seinem Zauberstab bewaffnet – der jetzt, wenn er daran dachte, nur ein dünnes Stück Holz war – gegen einen fünfzehn Meter hohen, schuppigen, stachelbewehrten, Feuer speienden Drachen antreten. Und er musste an ihm vorbeikommen. Unter den Augen aller. Wie?
Harry ging am Waldrand entlang und beschleunigte jetzt seine Schritte; er hatte nur noch fünfzehn Minuten, um zum Kamin zu gelangen und mit Sirius zu sprechen. Und er konnte sich nicht erinnern, sich jemals so danach gesehnt zu haben, mit jemandem zu reden – und dann stieß er urplötzlich gegen etwas Festes und fiel rücklings auf die Erde.
Seine Brille war
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