Harry Potter und der Feuerkelch
verrutscht und er zog den Tarnumhang fest um sich. Dann hörte er, ganz nahe, eine Stimme: »Autsch! Wer da!«
Harry prüfte hastig, ob ihn der Tarnumhang ganz verhüllte, blieb reglos liegen und sah hinauf zu dem schwarzen Umriss des Zauberers, mit dem er soeben zusammengestoßen war. Er erkannte den Spitzbart … es war Karkaroff.
»Wer ist da?«, sagte Karkaroff erneut argwöhnisch und spähte in der Dunkelheit umher. Harry rührte sich nicht und gab keine Antwort. Nach ungefähr einer Minute schien Karkaroff zu dem Schluss gekommen zu sein, dass er mit irgendeinem Tier zusammengestoßen war; er sah auf Hüfthöhe um sich her, als ob er erwartete, einen Hund zu sehen. Dann schlich er zurück in den Schutz der Bäume und stahl sich weiter zum Drachengehege vor.
Langsam und umsichtig stand Harry auf und ging dann, so schnell er konnte, ohne allzu viel Geräusche zu machen, weiter in Richtung Schloss.
Harry wusste genau, was Karkaroff im Schilde führte. Er hatte sich von seinem Schiff geschlichen und wollte auskundschaften, worin die erste Aufgabe bestand. Vielleicht hatte er sogar Hagrid und Madame Maxime zusammen am Wald entlanggehen sehen – sie waren ja auch von weitem kaum zu übersehen … und nun musste Karkaroff nur ihren Stimmen folgen, dann würde auch er, wie schon Madame Maxime, genau wissen, was die Champions erwartete. So, wie es jetzt aussah, würde Cedric am Dienstag der Einzige sein, der nicht wusste, was auf ihn zukam.
Harry erreichte das Schloss, glitt durchs Portal und stieg die Marmortreppe hoch; er atmete schwer, doch er wagte es nicht, ein wenig langsamer zu gehen … er hatte nur noch fünf Minuten, um nach oben zum Kamin zu kommen …
»Quatsch!«, keuchte er vor der fetten Dame, die in ihrem Bild vor dem Porträtloch döste.
»Wenn du meinst«, murmelte sie schläfrig, und ohne die Augen zu öffnen, ließ sie das Bild zur Seite schwingen und gab den Weg frei. Harry kletterte hinein. Der Gemeinschaftsraum war menschenleer, und da es hier wie immer roch, hatte Hermine offenbar keine Stinkbomben werfen müssen, um ihm und Sirius ein Gespräch unter vier Augen zu ermöglichen.
Harry zog sich den Tarnumhang vom Kopf und warf sich in einen Sessel vor dem Feuer. Der Raum lag im Halbdunkel; nur die Flammen gaben ein wenig Licht. Auf einem Tisch in der Nähe glommen die Lettern der Anstecker. Doch jetzt war etwas anderes zu lesen. POTTER STINKT WIRKLICH . Harry sah wieder ins Feuer und zuckte zusammen.
Sirius’ Kopf saß mitten in den Flammen. Wenn Harry nicht vor einiger Zeit bei den Weasleys Mr Diggory in genau derselben Haltung gesehen hätte, dann wäre er zu Tode erschrocken. Stattdessen breitete sich auf seinem Gesicht das erste Lächeln seit Tagen aus, er rappelte sich aus dem Sessel und kauerte sich am Kamin nieder. »Sirius – wie geht’s dir?«
Sirius sah anders aus, als Harry ihn in Erinnerung hatte. Als sie sich verabschiedet hatten, war sein Gesicht noch ausgemergelt und hohlwangig gewesen, umwachsen von einer langen verfilzten Haarmähne – doch nun war sein Haar kurz und sauber, sein Gesicht voller, und er sah jünger aus, viel eher wie auf dem einzigen Foto, das Harry von ihm besaß und das bei der Hochzeit der Potters aufgenommen worden war.
»Wie’s mir geht, ist nicht so wichtig, wie geht’s dir?«, sagte Sirius ernst.
»Mir geht’s –« Einen Moment lang versuchte Harry »gut« zu sagen. Doch er schaffte es nicht. Bevor er recht wusste, wie ihm geschah, hatte er mehr geredet als während der ganzen letzten Tage zusammen – er erzählte, wie er gegen seinen Willen ins Turnier gelangt war, dass Rita Kimmkorn im Tagespropheten Lügen über ihn verbreitet hatte, dass er keinen Flur entlanggehen konnte, ohne sich hämische Bemerkungen anhören zu müssen – und er redete über Ron, über Ron, der ihm nicht glaubte, der eifersüchtig war … »Und gerade vorhin hat Hagrid mir gezeigt, was sie in der ersten Runde bringen, nämlich Drachen, Sirius, und jetzt bin ich erledigt«, schloss er verzweifelt.
Sirius sah ihn voller Sorge an, mit Augen, die noch nicht ganz den Ausdruck verloren hatten, den ihnen Askaban eingebrannt hatte – diesen abgestumpften und gehetzten Blick. Er hatte Harry ohne Unterbrechung reden lassen, bis dieser erschöpft war, doch jetzt sagte er: »Mit Drachen werden wir schon fertig, Harry, aber dazu gleich – ich kann nicht lange bleiben … ich bin in ein Zaubererhaus eingebrochen, um den Kamin zu benutzen, aber die können jeden
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