Harry Potter und der Feuerkelch
Professor Sprout im Vorbeigehen rasch eine Entschuldigung zugemurmelt hatte. »Hermine, ich brauche deine Hilfe.«
»Was glaubst du eigentlich, worüber ich die ganze Zeit nachdenke?«, flüsterte sie mit großen, sorgenvollen Augen über den zitternden Ginsterbusch hinweg, den sie gerade beschnitt.
»Hermine, ich muss den Aufrufezauber richtig beherrschen, und zwar bis morgen Nachmittag.«
Also übten sie. Sie gingen nicht zum Mittagessen, sondern in ein freies Klassenzimmer, wo Harry mühsam versuchte, verschiedene Gegenstände durch den Raum auf sich zufliegen zu lassen. Noch immer hatte er damit Schwierigkeiten. Jedes Mal verloren die Bücher und Federkiele auf halbem Weg die Lust und fielen wie Steine zu Boden.
»Konzentrier dich, Harry, konzentrier dich …«
»Was glaubst du eigentlich, was ich hier mache?«, sagte Harry zornig. »Mir schwirrt ständig ein ätzender Riesendrache im Kopf rum, ich weiß auch nicht, wieso … gut, noch mal …«
Er wollte Wahrsagen schwänzen, um weiterzuüben, doch Hermine weigerte sich strikt, Arithmantik sausen zu lassen, und ohne Hermine hatte es keinen Sinn. So musste er über eine Stunde lang Professor Trelawney über sich ergehen lassen, die die meiste Zeit damit verbrachte, ihnen zu erklären, dass die gegenwärtige Position des Mars in Konstellation zu der des Saturns zur Folge habe, dass im Juli geborene Menschen in großer Gefahr seien, eines plötzlichen und gewaltsamen Todes zu sterben.
»Schön, warum nicht«, rief Harry, dem der Geduldsfaden riss, »wenigstens zieht es sich dann nicht so ewig hin, ich will nicht lange leiden.«
Ron sah einen Moment lang aus, als wolle er lachen; es war sicher das erste Mal seit Tagen, dass er Harry in die Augen sah, doch Harry war immer noch so sauer auf ihn, dass es ihn nicht rührte. Während der restlichen Stunde versuchte er mit dem Zauberstab unter dem Tisch kleine Gegenstände zu sich heranzuziehen. Er schaffte es auch tatsächlich, eine Fliege direkt in seine Hand summen zu lassen, doch er war sich nicht ganz sicher, ob das seiner Stärke im Aufrufezaubern zu verdanken war – oder ob die Fliege einfach nur dumm war.
Nach Wahrsagen würgte er ein wenig vom Mittagessen hinunter, dann warf er sich und Hermine den Tarnumhang über, damit sie vor den Blicken der Lehrer sicher waren, und sie kehrten in das leere Klassenzimmer zurück. Bis nach Mitternacht übten sie weiter und wären sogar noch länger geblieben, wenn Peeves nicht aufgetaucht wäre. Peeves verstand Harry absichtlich falsch, nämlich so, als wolle Harry nichts lieber, als mit Gegenständen beworfen zu werden, und so machte er sich einen Spaß daraus, Stühle durchs Zimmer zu schleudern. Harry und Hermine ergriffen die Flucht, bevor der Lärm Filch auf den Plan rief, und liefen zurück in den Gemeinschaftsraum, der nun glücklicherweise leer war.
Um zwei Uhr morgens stand Harry am Kamin, inmitten eines Haufens von Büchern, Federn, umgestürzten Stühlen, einem alten Koboldsteinspiel und Nevilles Kröte Trevor. Erst in der letzten Stunde hatte er den Dreh rausgekriegt.
»Schon besser, Harry, das wird schon«, sagte Hermine erschöpft, aber zufrieden.
»Tja, jetzt wissen wir, was du das nächste Mal tun musst, wenn ich einen Zauber nicht beherrsche«, sagte Harry und warf Hermine ein Runenwörterbuch zu, um den Aufrufezauber ein letztes Mal zu proben. »Du setzt mir einen Drachen vor die Nase. Fertig …« Noch einmal hob er den Zauberstab: »Accio Wörterbuch!«
Der schwere Wälzer flog aus Hermines Hand, flatterte durchs Zimmer und landete in Harrys Armen.
»Harry, ich glaube, du hast es raus!«, sagte Hermine erleichtert.
»Morgen jedenfalls muss es klappen«, sagte Harry. »Der Feuerblitz ist dann viel weiter weg als die Sachen hier, nämlich im Schloss, und ich bin draußen auf dem Gelände.«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Hermine zuversichtlich. »Wenn du dich wirklich ganz fest darauf konzentrierst, dann kommt er. Wir gehen jetzt lieber noch ein wenig schlafen … du wirst es brauchen.«
Harry hatte an diesem Abend so angestrengt versucht, den Aufrufezauber zu lernen, dass seine blinde Panik ein wenig nachgelassen hatte. Am nächsten Morgen überkam sie ihn jedoch wieder mit ganzer Wucht. In der Schule herrschte eine sehr gespannte und aufgeregte Atmosphäre. Der Unterricht sollte um die Mittagszeit enden, damit alle Schüler die Möglichkeit hatten, hinunter zum Drachengehege zu gehen – doch wussten sie natürlich noch nicht, was sie
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