Harry Potter und der Gefangene von Askaban
Hagrid in seiner Sache gegen den Ausschuss für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe helfen wollte. Am nächsten Tag gingen er, Ron und Hermine in die Bibliothek und kehrten mit den Armen voller Bücher in den leeren Gemeinschaftsraum zurück. Vielleicht stand etwas Hilfreiches für die Verteidigung Seidenschnabels drin. Alle drei setzten sich vor das prasselnde Feuer und blätterten langsam durch die Seiten der verstaubten Bände über berühmte Fälle wild gewordener Biester. Nur gelegentlich wechselten sie ein paar Worte, wenn sie auf etwas Wichtiges stießen.
»Hier ist was … im Jahr 1722 gab es einen Fall … aber der Hippogreif wurde verurteilt – urrgh, schaut mal, was sie mit ihm gemacht haben, das ist ja abscheulich –«
»Das hilft uns vielleicht weiter, seht mal – im Jahr 1296 hat ein Mantikor jemanden zerfleischt und sie haben ihn freigelassen – oh – nein, das war nur, weil sie alle zu viel Angst hatten und keiner sich in seine Nähe traute …«
Unterdessen war das Schloss wie immer herrlich weihnachtlich geschmückt worden, auch wenn kaum Schüler dageblieben waren, die sich darüber freuen konnten. Dicke Büschel aus Stechpalmenzweigen und Misteln zogen sich die Korridore entlang, aus den Rüstungen leuchteten geheimnisvolle Lichter und in der Großen Halle prangten die üblichen zwölf Weihnachtsbäume, an denen goldene Sterne glitzerten. Ein überwältigender und leckerer Geruch aus den Küchen wehte durch die Korridore und am Weihnachtsabend war er so stark geworden, dass selbst Krätze die Nase aus Rons schützender Tasche herausstreckte und hoffnungsvoll schnupperte.
Am Weihnachtsmorgen weckte Ron Harry, indem er ihm ein Kissen an den Kopf warf.
»Hallo! Geschenke!«
Harry tastete nach seiner Brille und setzte sie auf, dann schaute er durch das Halbdunkel zum Bettende, wo ein kleiner Haufen Päckchen lag. Ron war schon dabei, das Papier von seinen Geschenken zu reißen.
»Noch ein Pulli von Mum … wieder kastanienbraun … sieh nach, ob du auch einen hast.«
Harry hatte. Mrs Weasley hatte ihm einen scharlachroten Pulli geschickt, den Gryffindor-Löwen auf die Brust gestickt, zusammen mit einem Dutzend selbst gebackener Weihnachtspasteten, einem Stück Weihnachtskuchen und einer Schachtel Nusskrokant. Als er all diese Sachen beiseiteschob, sah er ein langes, schmales Paket darunter liegen.
»Was ist das?«, fragte Ron, der mit einem frisch ausgepackten Paar kastanienbrauner Socken in der Hand zu ihm herübersah.
»Keine Ahnung …«
Harry riss das Päckchen auf und erstarrte mit offenem Mund, als ein prächtiger schimmernder Besen auf seine Bettdecke rollte. Ron ließ die Socken fallen und sprang vom Bett, um sich die Sache näher anzusehen.
»Ich fass es nicht«, sagte er mit rauer Stimme.
Es war ein Feuerblitz, der gleiche wie der Traumbesen, den sich Harry Tag für Tag in der Winkelgasse angesehen hatte. Der Stiel glänzte, als er ihn hochhielt. Er spürte ihn vibrieren und ließ ihn los; er blieb mitten in der Luft schweben, ohne Halt, auf genau der richtigen Höhe, um ihn besteigen zu können. Harrys Augen wanderten von der goldenen Seriennummer an der Spitze des Stiels hinüber zu den vollkommen glatten, stromlinienförmig gestutzten Birkenzweigen, die den Schweif bildeten.
»Wer hat dir den geschickt?«, fragte Ron mit andächtiger Stimme.
»Schau nach, ob irgendwo eine Karte rumliegt«, sagte Harry.
Ron zerriss die Verpackung des Feuerblitzes.
»Nichts! Meine Güte, wer sollte denn so viel Gold für dich ausgeben?«
»Nun«, sagte Harry völlig verdutzt, »ich wette jedenfalls, dass es nicht die Dursleys waren.«
»Ich wette, es war Dumbledore«, sagte Ron, der jetzt Runde um Runde um den Feuerblitz drehte und jeden herrlichen Zentimeter genüsslich betrachtete. »Er hat dir auch den Tarnumhang anonym geschickt …«
»Der gehörte allerdings meinem Dad«, sagte Harry. »Dumbledore hat ihn nur an mich weitergegeben. Er würde nicht Hunderte von Galleonen für mich ausgeben. Das kann er einfach nicht machen, seinen Schülern solche Sachen schenken –«
»Deshalb sagt er ja nicht, dass es von ihm ist!«, sagte Ron, »damit so ’n Dödel wie Malfoy nicht sagen kann, er würde dich bevorzugen. Hei, Harry –«, Ron lachte schallend auf, »Malfoy! Warte, bis er dich auf dem Besen sieht! Dem wird speiübel werden! Dieser Besen ist nach internationalem Standard gebaut, sag ich dir!«
»Ich kann’s einfach nicht glauben«, murmelte Harry und fuhr mit der Hand
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