Harry Potter und der Halbblutprinz
neuen Strategie festhielten, jedes Mal Taubheit vorzuschützen, wenn Harry seine Malfoy-ist-ein-Todesser-Theorie erwähnte.
Harry hatte sich gefragt, ob Dumbledore, wo auch immer er war, rechtzeitig zum Unterricht am Montagabend zurückkehren würde, doch da er nichts Gegenteiliges erfuhr, fand er sich um acht Uhr vor Dumbledores Büro ein, klopfte und wurde hereingebeten. Da saß Dumbledore und wirkte ungewöhnlich müde; seine Hand war immer noch schwarz und verbrannt, doch er lächelte, als er Harry bedeutete, dass er sich setzen solle. Das Denkarium stand wieder auf dem Schreibtisch und warf silbrige Lichtflecken an die Decke.
»Du hast einiges erlebt, während ich weg war«, sagte Dumbledore. »Wie ich höre, warst du Zeuge von Katies Unfall.«
»Ja, Sir. Wie geht es ihr?«
»Immer noch sehr schlecht, dabei hat sie noch einigermaßen Glück gehabt. Offenbar hat sie das Halsband nur mit dem allerkleinsten Stückchen Haut berührt: Ihr Handschuh hatte ein winziges Loch. Wenn sie es sich umgelegt, es auch nur ohne Handschuhe angefasst hätte, dann wäre sie gestorben, womöglich auf der Stelle. Glücklicherweise konnte Professor Snape genug tun, um eine rasche Ausbreitung des Fluchs zu verhindern –«
»Warum er?«, fragte Harry rasch. »Warum nicht Madam Pomfrey?«
»Frechheit«, sagte eine leise Stimme von einem der Porträts an der Wand, und Phineas Nigellus Black, Sirius’ Ururgroßvater, hob den Kopf von den Armen, auf denen er allem Anschein nach geschlafen hatte. »Zu meiner Zeit hätte ich es einem Schüler nicht erlaubt, in Frage zu stellen, wie Hogwarts arbeitet.«
»Ja, danke schön, Phineas«, würgte Dumbledore ihn ab. »Professor Snape weiß viel mehr über die dunklen Künste als Madam Pomfrey, Harry. Jedenfalls schickt mir das Team vom St. Mungo stündlich Berichte, und ich hoffe, dass Katie mit der Zeit gänzlich genesen wird.«
»Wo waren Sie an diesem Wochenende, Sir?«, fragte Harry, obwohl er eindeutig das Gefühl hatte, er könnte vielleicht zu weit gehen, ein Gefühl, das Phineas Nigellus offenbar teilte, denn er zischte leise.
»Das möchte ich im Augenblick eher nicht sagen«, erwiderte Dumbledore. »Ich werde es dir allerdings zu gegebener Zeit erzählen.«
»Tatsächlich?«, sagte Harry verdutzt.
»Gewiss«, sagte Dumbledore, zog eine neue Flasche silberner Erinnerungen aus seinem Umhang und entkorkte sie mit einem leichten Stoß seines Zauberstabs.
»Sir«, sagte Harry zögernd, »ich habe Mundungus in Hogsmeade getroffen.«
»Ah, ja, ich habe bereits erfahren, dass Mundungus dein Erbe mit langen Fingern missachtet hat«, sagte Dumbledore und runzelte leicht die Stirn. »Seit du ihn vor den Drei Besen zur Rede gestellt hast, ist er untergetaucht; ich würde meinen, er hat Angst, mir gegenüberzutreten. Aber verlass dich darauf, er wird nicht noch mehr von Sirius’ alten Besitztümern beiseiteschaffen.«
»Dieser räudige alte Halbblüter hat Erbstücke von den Blacks gestohlen?«, sagte Phineas Nigellus erzürnt; und er stolzierte aus seinem Rahmen, zweifellos um sein Porträt am Grimmauldplatz Nummer zwölf aufzusuchen.
»Professor«, sagte Harry nach einer kurzen Pause, »hat Professor McGonagall Ihnen gesagt, was ich ihr erzählt habe, nachdem Katie verletzt wurde? Über Draco Malfoy?«
»Sie hat mir von deinem Verdacht erzählt, ja«, erwiderte Dumbledore.
»Und Sie –?«
»Ich werde alle geeigneten Maßnahmen ergreifen und jeden überprüfen, der möglicherweise mit Katies Unfall zu tun hatte«, sagte Dumbledore. »Aber im Augenblick, Harry, beschäftigt mich unsere Unterrichtsstunde.«
Harry ärgerte sich ein wenig über diese Worte: Wenn ihr Unterricht tatsächlich so wichtig war, warum hatte es dann eine so lange Unterbrechung zwischen der ersten und der zweiten Stunde gegeben? Doch er sagte nichts mehr über Draco Malfoy, sondern sah zu, wie Dumbledore die neuen Erinnerungen in das Denkarium goss und das steinerne Becken wieder in den langen Fingern seiner Hände kreisen ließ.
»Wie du sicher noch weißt, haben wir die Geschichte von Lord Voldemorts Anfängen an dem Punkt unterbrochen, als der hübsche Muggel Tom Riddle seine Frau, die Hexe Merope, verließ und zu seinem Familiensitz in Little Hangleton zurückkehrte. Merope blieb allein in London zurück, schwanger mit einem Kind, das eines Tages Lord Voldemort werden sollte.«
»Woher wissen Sie, dass sie in London war, Sir?«
»Aufgrund der Aussage eines gewissen Caractacus Burke«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher