Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Augenblicke später einen lauten Knall gab und aus einer Ecke jede Menge beißender schwarzer Qualm drang. Die junge Hexe in der vorderen Reihe begann zu kreischen: Rosa Seiten flogen durcheinander, als sie und ihre Kollegen aufsprangen und sich umsahen, woher das Getöse kam. Harry drückte die Klinke herunter, betrat Umbridges Büro und schloss die Tür hinter sich.
Er hatte das Gefühl, in einer vergangenen Zeit gelandet zu sein. Das Zimmer glich haargenau Umbridges Büro in Hogwarts: Spitzendeckchen, Untersetzer und Trockenblumen bedeckten jede verfügbare Fläche. An den Wänden hingen dieselben Zierteller mit den quietschbunten Kätzchen, die Bänder umhatten und ekelhaft süß umhertollten und spielten. Über dem Schreibtisch lag ein geblümtes, mit Volants besetztes Tuch. Hinter Mad-Eyes Auge war ein teleskopartiger Aufsatz befestigt, mit dem die Angestellten auf der anderen Seite der Tür ausspioniert werden konnten. Harry warf einen Blick hindurch und sah, dass sie immer noch alle um den Bluffknaller versammelt waren. Er riss das Teleskop aus der Tür, was ein Loch zurückließ, zog den magischen Augapfel heraus und steckte ihn in seine Tasche. Dann drehte er sich wieder zu dem Zimmer um, hob seinen Zauberstab und murmelte: »Accio Medaillon.«
Nichts geschah, doch er hatte es auch nicht erwartet; zweifellos wusste Umbridge alles über schützende Zauber und Banne. Er trat daher rasch hinter ihren Schreibtisch und begann die Schubladen herauszuziehen. Federn und Notizbücher und Zauberklebeband kamen zum Vorschein; magische Büroklammern, die sich wie Schlangen aus ihrer Schublade ringelten und zurückgetrieben werden mussten; eine reich verzierte kleine Schnürschachtel voller Reservehaarschleifen und -klammern; aber keine Spur von einem Medaillon.
Hinter dem Schreibtisch stand ein Aktenschrank; Harry machte sich daran, ihn zu durchsuchen. Wie Filchs Aktenschränke in Hogwarts war er voller Mappen, jede mit einem Namensschild versehen. Harry war schon bei der untersten Schublade angelangt, als er etwas sah, das ihn von seiner Suche ablenkte: Mr Weasleys Akte. Er zog sie heraus und öffnete sie.
ARTHUR WEASLEY
Blutstatus:
Reinblüter, jedoch mit unerwünschten muggelfreundlichen Neigungen
Bekannt als Mitglied des Phönixordens
Familie:
Ehefrau (reinblütig), sieben Kinder, die beiden jüngsten auf Hogwarts
NB: Jüngster Sohn gegenwärtig zu Hause, schwer krank, von Inspektoren des Ministeriums bestätigt
Kontrollstatus:
ÜBERWACHT . Alle Aktivitäten werden beobachtet. Große Wahrscheinlichkeit, dass Unerwünschter No. 1 Kontakt aufnimmt (war bereits früher bei Familie Weasley)
»Unerwünschter Nummer eins«, murmelte Harry vor sich hin, als er Mr Weasleys Aktenmappe zurücklegte und die Schublade schloss. Er hatte eine dumpfe Ahnung, wer das sein konnte, und tatsächlich, als er sich aufrichtete und im Büro nach anderen Verstecken Ausschau hielt, sah er ein Plakat von sich selbst an der Wand, und quer über seiner Brust prangten die Worte UNERWÜNSCHTER No. 1. Ein kleiner rosa Notizzettel klebte daran, mit einem Kätzchenbild in der Ecke. Harry ging hinüber, um ihn zu lesen, und sah, was Umbridge daraufgeschrieben hatte: »Muss bestraft werden.«
Wütender denn je suchte er weiter und tastete jetzt auf den Böden der Vasen und in den Körben voller Trockenblumen herum, doch es überraschte ihn nicht im Geringsten, dass er das Medaillon hier nicht finden konnte. Er ließ den Blick ein letztes Mal durch das Büro schweifen, als sein Herz einen Augenblick aussetzte. Dumbledore starrte ihn aus einem kleinen rechteckigen Spiegel an, der auf einem Bücherregal neben dem Schreibtisch aufgestellt war.
Harry durchquerte im Laufschritt das Zimmer und riss den Spiegel hoch, doch er hatte ihn kaum berührt, als ihm klar wurde, dass es gar kein Spiegel war. Dumbledore lächelte versonnen vom Hochglanzumschlag eines Buches. Harry hatte die verschnörkelte grüne Schrift quer über seinem Hut zuerst nicht bemerkt: Leben und Lügen des Albus Dumbledore, und auch nicht die etwas kleinere Schrift über seiner Brust: von Rita Kimmkorn, Autorin des Bestsellers »Armando Dippet: Könner oder Knallkopf?«
Harry schlug das Buch wahllos auf und stieß auf ein ganzseitiges Foto von zwei Jungen im Teenageralter, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten und heftig lachten. Dumbledore, nun mit langem Haar bis zum Ellbogen, hatte sich einen kleinen, büscheligen Bart wachsen lassen, ähnlich dem an Krums Kinn,
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