Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Flammen, die den Tunnel sprengten, Boden und Decke aufreißen und bröckeln ließen. Mit schierer Kraft, kratzend und um sich schlagend, kämpfte sich der Drache weiter. Harry hatte die Augen fest zugedrückt gegen die Hitze und den Staub: Betäubt von den herabstürzenden Felsbrocken und dem Brüllen des Drachen, blieb ihm nichts, als sich an dessen Rücken zu klammern und sich darauf gefasst zu machen, jeden Moment abgeschüttelt zu werden; dann hörte er Hermine schreien: »Defodio!«
Sie half, den Gang zu vergrößern, und meißelte die Decke aus, während der Drache sich weiter nach oben quälte, zur frischeren Luft hin, weg von den kreischenden und klirrenden Kobolden: Harry und Ron folgten Hermines Beispiel und sprengten die Decke mit weiteren aushöhlenden Zaubern weg. Sie kamen an dem unterirdischen See vorbei, und das große, kriechende, fauchende Untier schien nun zu spüren, dass die Freiheit und mehr Raum vor ihm lagen, und der Tunnel hinter ihnen war voll von dem peitschenden stacheligen Schwanz, von großen Gesteinsbrocken, gigantischen zerschmetterten Stalaktiten, und das Klirren der Kobolde wirkte allmählich dumpfer, während das Feuer des Drachen ihnen vorne den Weg bahnte –
Und dann schließlich, mit der vereinten Kraft ihrer Zauber und der rohen Gewalt des Drachen, hatten sie sich den Durchgang hinaus in die Marmorhalle frei gesprengt. Kobolde und Zauberer kreischten und rannten in Deckung, und endlich hatte der Drache Platz, seine Flügel auszustrecken: Er wandte seinen gehörnten Kopf der kühlen Luft zu, die er draußen vor dem Eingang wittern konnte, und machte sich auf, und während Harry, Ron und Hermine sich immer noch an seinen Rücken klammerten, brach er durch die metallenen Tore und ließ sie verbogen und aus den Angeln hängend hinter sich, als er in die Winkelgasse hinauswankte und sich hoch in den Himmel stürzte.
Das letzte Versteck
Es gab keine Möglichkeit, zu lenken; der Drache konnte nicht sehen, wohin er flog, und Harry wusste, wenn er scharf in die Kurve gehen oder sich mitten in der Luft überschlagen würde, dann würden sie sich unter keinen Umständen weiter an seinen breiten Rücken klammern können. Dennoch, während sie immer höher stiegen und London sich unter ihnen ausbreitete wie eine graugrüne Landkarte, empfand Harry vor allem Dankbarkeit für eine Flucht, die undenkbar erschienen war. Er schmiegte sich eng an den Hals des Ungeheuers und klammerte sich an den metallischen Schuppen fest, während der kühle Wind seiner verbrannten und von Blasen übersäten Haut wohltat und die Flügel des Drachen durch die Luft schlugen wie die einer Windmühle. Hinter ihm fluchte Ron ununterbrochen aus Leibeskräften, Harry wusste nicht, ob aus Freude oder aus Angst, und Hermine schluchzte offenbar.
Nach etwa fünf Minuten ließ Harrys unmittelbare Befürchtung etwas nach, dass der Drache sie abwerfen könnte, denn er schien nichts anderes im Sinn zu haben, als sein unterirdisches Gefängnis so weit wie möglich hinter sich zu lassen, doch die Frage, wie und wann sie würden absteigen können, blieb ziemlich beängstigend. Er hatte keine Ahnung, wie lange Drachen sich in der Luft halten konnten, noch, wie gerade dieser Drache, der kaum etwas sehen konnte, einen guten Landeplatz ausfindig machen sollte. Harry blickte fortwährend umher und meinte, seine Narbe kribbeln zu spüren …
Wie lange würde es dauern, bis Voldemort erfuhr, dass sie in das Verlies der Lestranges eingebrochen waren? Wie schnell würden die Kobolde von Gringotts Bellatrix benachrichtigen? Wie rasch würden sie erkennen, was gestohlen worden war? Und was würde geschehen, wenn sie entdeckt hatten, dass der goldene Becher fehlte? Dann würde Voldemort endlich wissen, dass sie Horkruxe jagten …
Der Drache schien sich nach kühlerer und frischerer Luft zu sehnen: Beharrlich stieg er weiter in die Höhe, bis sie durch eisige Wolkenfetzen flogen und Harry die kleinen bunten Punkte nicht mehr ausmachen konnte, die Autos waren und in die Hauptstadt hinein- und wieder hinausströmten. Immer weiter flogen sie, über Land, das in grüne und braune Flecken aufgeteilt war, über Straßen und Flüsse, die sich durch die Landschaft wanden wie Streifen von mattem und glänzendem Geschenkband.
»Was glaubt ihr, wonach er sucht?«, schrie Ron, während sie unentwegt in nördliche Richtung flogen.
»Keine Ahnung«, brüllte Harry zurück. Seine Hände waren taub vor Kälte, doch er wagte es nicht, den Griff
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