Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Nun denn. Ihre erste Priorität wird es sein, herauszufinden, was Draco im Schilde führt. Ein verängstigter Junge im Teenageralter ist eine Gefahr für andere ebenso wie für sich selbst. Bieten Sie ihm Hilfe und Rat an, das sollte er annehmen, er mag Sie –«
»– viel weniger, seit sein Vater in Ungnade gefallen ist. Draco macht mich dafür verantwortlich, er denkt, ich hätte Lucius von seinem Platz verdrängt.«
»Gleichwohl, versuchen Sie es. Ich sorge mich weniger um mich selbst als um zufällige Opfer irgendwelcher Machenschaften, die dem Jungen vielleicht in den Sinn kommen. Am Ende wird es natürlich nur eins geben, was wir tun müssen, wenn wir ihn vor Lord Voldemorts Zorn retten wollen.«
Snape hob die Augenbrauen und in sardonischem Ton fragte er: »Haben Sie die Absicht, sich von ihm töten zu lassen?«
»Gewiss nicht. Sie müssen mich töten.«
Eine lange Stille trat ein, unterbrochen nur von einem merkwürdigen klackernden Geräusch. Fawkes, der Phönix, knabberte an einem Stück Kalkschulp.
»Möchten Sie, dass ich es jetzt gleich erledige?«, fragte Snape unüberhörbar ironisch. »Oder wünschen Sie ein wenig Zeit, um einen Grabspruch zu verfassen?«
»Oh, nicht so schnell«, sagte Dumbledore lächelnd. »Ich vermute, der richtige Moment wird sich bald einstellen. In Anbetracht dessen, was heute Abend geschehen ist«, er zeigte auf seine verdorrte Hand, »können wir sicher sein, dass es binnen eines Jahres geschehen wird.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, zu sterben«, sagte Snape schroff, »warum lassen Sie es nicht Draco tun?«
»Die Seele dieses Jungen ist noch nicht so beschädigt«, sagte Dumbledore. »Ich möchte nicht, dass sie meinetwegen auseinandergerissen wird.«
»Und meine Seele, Dumbledore? Meine?«
»Sie allein wissen, ob es Ihrer Seele schaden wird, einem alten Mann zu helfen, Schmerz und Demütigung zu vermeiden«, sagte Dumbledore. »Ich erbitte diesen einzigen großen Gefallen von Ihnen, Severus, weil mein Tod so sicher kommen wird, wie die Chudley Cannons dieses Jahr Letzte der Liga sein werden. Ich gestehe, ich ziehe einen raschen, schmerzlosen Abgang jener langwierigen und hässlichen Angelegenheit vor, die es werden würde, wenn beispielsweise Greyback daran beteiligt wäre – wie ich höre, hat Voldemort ihn angeworben? Oder die gute Bellatrix, die gern mit ihrem Essen spielt, bevor sie es verspeist.«
Sein Ton war heiter, doch seine blauen Augen durchbohrten Snape, wie sie es schon so oft bei Harry getan hatten, als ob die Seele, über die sie sprachen, sichtbar für ihn wäre. Schließlich nickte Snape abermals kurz.
Dumbledore schien zufrieden.
»Danke, Severus …«
Das Büro verschwand, und nun schlenderten Snape und Dumbledore in der Dämmerung durch die einsamen Schlossgründe.
»Was tun Sie mit Potter, all die Abende, an denen Sie allein mit ihm zusammensitzen?«, fragte Snape unvermittelt.
Dumbledore wirkte erschöpft.
»Warum? Sie wollen ihn doch nicht noch mehr nachsitzen lassen, Severus? Der Junge wird bald mehr Zeit mit Nachsitzen verbracht haben als mit sonst etwas.«
»Er ist genau wie sein Vater –«
»Im Aussehen vielleicht, aber in seinem innersten Wesen ähnelt er viel mehr seiner Mutter. Ich verbringe Zeit mit Harry, weil ich Dinge mit ihm zu besprechen habe, ihm Informationen geben muss, ehe es zu spät ist.«
»Informationen«, wiederholte Snape. »Sie vertrauen ihm … mir vertrauen Sie nicht.«
»Es ist keine Frage des Vertrauens. Meine Zeit ist, wie wir beide wissen, begrenzt. Es ist entscheidend, dass ich dem Jungen genügend Informationen gebe, damit er tun kann, was er tun muss.«
»Und warum darf ich nicht die gleichen Informationen erhalten?«
»Ich ziehe es vor, nicht alle meine Geheimnisse in einen Korb zu stecken, und schon gar nicht in einen Korb, der so oft am Arm von Lord Voldemort baumelt.«
»Was ich auf Ihren Befehl hin tue!«
»Und Sie tun es äußerst gut. Denken Sie nicht, dass ich die ständige Gefahr, in die Sie sich begeben, unterschätze, Severus. Voldemort vermeintlich wertvolle Informationen zu liefern, während Sie die wesentlichen Dinge zurückhalten, ist eine Aufgabe, die ich niemandem außer Ihnen anvertrauen würde.«
»Aber einem Jungen, der keine Okklumentik beherrscht, der mittelmäßig zaubert und eine direkte Verbindung zum Geist des Dunklen Lords hat, vertrauen Sie viel mehr!«
»Voldemort fürchtet diese Verbindung«, sagte Dumbledore. »Vor nicht allzu langer Zeit bekam er einen
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