Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
Harry das Zimmer betrat. Ron legte sich wieder aufs Bett, von dem er offensichtlich gerade aufgestanden war. Im Zimmer war es genauso unordentlich wie schon die ganze Woche, nur dass Hermine jetzt hinten in der Ecke saß, mit ihrem flauschigen orangeroten Kater Krummbein zu ihren Füßen, und Bücher auf zwei riesige Stapel sortierte, unter denen Harry einige seiner eigenen erkannte.
»Hi, Harry«, sagte sie, als er sich auf sein Feldbett setzte.
»Und wie hast du es geschafft, dich loszueisen?«
»Oh, Rons Mum hat vergessen, dass sie Ginny und mich schon gestern gebeten hat, die Bettwäsche zu wechseln«, sagte Hermine. Sie warf Nummerologie und Grammatica auf den einen Stapel und Aufstieg und Niedergang der dunklen Künste auf den anderen.
»Wir haben gerade über Mad-Eye gesprochen«, sagte Ron zu Harry. »Ich denke, dass er überlebt haben könnte.«
»Aber Bill hat gesehen, wie ihn der Todesfluch getroffen hat«, entgegnete Harry.
»Jaah, aber Bill war auch unter Beschuss«, sagte Ron. »Wie kann er sicher sein bei dem, was er gesehen hat?«
»Selbst wenn ihn der Todesfluch verfehlt hat, ist Mad-Eye immer noch etwa dreihundert Meter in die Tiefe gestürzt«, sagte Hermine, die jetzt Quidditch-Mannschaften Britanniens und Irlands in der Hand wog.
»Er hätte einen Schildzauber einsetzen können –«
»Fleur meinte, dass es ihm den Zauberstab aus der Hand gerissen hat«, sagte Harry.
»Also gut, wenn ihr unbedingt wollt, dass er tot ist«, sagte Ron mürrisch und klopfte sein Kissen etwas bequemer zurecht.
»Natürlich wollen wir nicht, dass er tot ist!«, sagte Hermine mit entsetztem Blick. »Es ist furchtbar, dass er tot ist! Aber wir sind eben realistisch.«
Harry stellte sich zum ersten Mal Mad-Eyes Leiche vor, mit gebrochenen Gliedmaßen wie die von Dumbledore, doch mit diesem einen Auge, das nach wie vor in seiner Höhle umherhuschte. Er verspürte plötzlich Ekel und zugleich eine absurde Lust zu lachen.
»Die Todesser haben vermutlich hinter sich aufgeräumt, deshalb hat ihn niemand gefunden«, sagte Ron weise.
»Jaah«, antwortete Harry. »Wie Barty Crouch – in einen Knochen verwandelt und im Garten vor Hagrids Hütte vergraben. Sie haben Moody wahrscheinlich verwandelt und irgendwo hingestopft –«
»Hört auf damit!«, kreischte Hermine. Erschrocken schaute Harry hinüber, gerade als sie über ihrem Exemplar von Zaubermanns Silbentabelle in Tränen ausbrach.
»O nein«, sagte Harry und stand mühsam von dem alten Feldbett auf. »Hermine, ich wollte dich nicht aufre–«
Doch Ron sprang aus dem Bett, dass die rostigen Federn laut knarrten, und war als Erster da. Einen Arm um Hermine gelegt, kramte er in seiner Jeanstasche und zog ein widerlich aussehendes Taschentuch heraus, mit dem er vorher den Backofen geputzt hatte. Hastig zückte er seinen Zauberstab, richtete ihn auf den Fetzen und sagte: »Tergeo.«
Der Zauberstab saugte das meiste von der Fettschmiere weg. Mit ziemlich selbstzufriedener Miene reichte Ron Hermine das leicht qualmende Taschentuch.
»Oh … danke, Ron … tut mir leid …« Sie schnäuzte sich die Nase und hickste. »Es ist so schreck-lich, nicht wahr? G-gleich nach Dumbledore … I-irgendwie hab ich mir n-nie vorstellen können, dass Mad-Eye stirbt, er wirkte so zäh!«
»Jaah, ich weiß«, sagte Ron und drückte sie kurz an sich. »Aber weißt du, was er zu uns sagen würde, wenn er hier wäre?«
»›I-immer wachsam‹«, sagte Hermine und wischte sich die Augen.
»Genau«, erwiderte Ron mit einem Nicken. »Er würde zu uns sagen, dass wir aus dem, was mit ihm passiert ist, lernen sollen. Und ich habe daraus gelernt, diesem feigen kleinen Mistkerl Mundungus nicht zu vertrauen.«
Hermine lachte zittrig auf, beugte sich vor und nahm zwei weitere Bücher zur Hand. Eine Sekunde später hatte Ron seinen Arm schon wieder von ihren Schultern weggerissen; sie hatte ihm das Monsterbuch der Monster auf den Fuß fallen lassen. Das Buch hatte sich von seinem Zaumgurt befreit und schnappte wild nach Rons Knöchel.
»’tschuldigung, ’tschuldigung!«, rief Hermine, als Harry das Buch von Rons Bein zerrte und es wieder zuband.
»Was willst du eigentlich mit diesen ganzen Büchern?«, fragte Ron und humpelte zu seinem Bett zurück.
»Ich versuche nur zu entscheiden, welche wir mitnehmen«, sagte Hermine. »Wenn wir nach den Horkruxen suchen.«
»Oh, natürlich«, sagte Ron und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. »Ich hab ja ganz vergessen, dass wir Voldemort
Weitere Kostenlose Bücher