Harrys Höllen-Cocktail
Augen an. »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß bald wirklich nicht, was ich noch glauben soll und was nicht. Irgendwie geht bei mir vieles durcheinander. Der Mann mit der verbrannten Hand. Obwohl es noch nicht lange zurückliegt, habe ich das Gefühl, geträumt zu haben. Und schauen Sie sich mal die Gäste an. Die tun so, als wäre nichts geschehen. Trinken, tanzen und lachen weiter.«
»So sind die Menschen«, sagte Bill.
Die nächste Frage klang nachdenklich. »Überall?«
»Fast«, erwiderte der Reporter. »Glauben Sie mir, ich kenne viel von der Welt. Große Unterschiede gibt es in den sogenannten zivilisierten Kreisen leider nicht.«
»Jetzt werden wir philosophisch.«
Der Reporter lächelte und nahm einen kleinen Schluck. »Das muß auch mal sein.«
Sie schauten wieder zu Harry hin, der sich soeben umwandte, sie ebenfalls ansah, lächelte und die beiden Gläser sinken ließ, die er in den Händen gehalten hatte.
Dann kam er auf sie zu.
»Was will der denn?« fragte Bill.
»Keine Ahnung.«
Der Reporter schluckte mit den Fingern. »Doch, jetzt fällt es mir wieder ein. Der Knabe muß noch sein Versprechen einlösen.«
»Wieso?«
»Er wollte uns doch einen Drink spendieren.«
»Darauf kann ich verzichten.«
Sie hatten Glück, weil Harry noch von anderen Gästen aufgehalten wurde. Bill nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich auch, meine Liebe, aber so halten wir ihn wenigstens von John Sinclair weg. Soll er sich lieber mit uns beschäftigen.«
»Wenn Sie meinen…«
An der Bar gab es einige Veränderungen. Eine andere Musik spielte jetzt. Viel weicherund softiger. Auch das Licht paßte sich der musikalischen Umgebung an. Es wechselte seine Farbe und bekam einen rötlichen Schimmer, der sich auch über die Tanzfläche hinaus ausbreitete.
Man tanzte jetzt enger, auch außerhalb der Fläche hatten sich die Paare gefunden.
Harry überwand die trennende Distanz. Als er stehenblieb, lächelte er auch. »Jetzt wird alles ruhiger ablaufen«, erklärte er. »Ich habe die entsprechenden Scheiben aufgelegt, das wollen die Leute nach der Hitze des Tanzes.«
»Und niemand denkt mehr über den Verletzten nach?« fragte Germaine.
Harry hob die Schultern. »Sie wissen selbst, in welch einer Zeit wir leben. Heutzutage ist alles sehr rasant, da nimmt man wenig Rücksicht, man erinnert sich nicht an Versprechen, die man einmal gegeben hat — bis auf eine Ausnahme.«
»Sie etwa?« fragte Bill.
»Ja — ich.«
»Was soll das heißen?«
»Sehen Sie, Mister, auch Sie erinnern sich nicht mehr. Ich hatte Ihnen beiden einen Drink auf Kosten des Hauses versprochen. Das Versprechen will ich einlösen.«
Der Reporter hob die Schultern. »Ehrlich gesagt, ich habe eigentlich genug.«
»Müssen Sie noch fahren?«
»Auch.«
»Cannes ist nicht sehr groß, man kann auch zu Fuß gehen. Außerdem gibt es Taxen.« Harry lächelte superfreundlich und strich über sein blondes Haar. »Denken Sie mal nach, meine Lieben. Sie bekommen nicht irgendeinen Drink, sondern meinen Spezial-Mix. Es ist ein Cocktail, den ich kreierte.«
Germaine griff zu einer neuen Zigarette und bekam von Harry Feuer gereicht. »Wie schmeckt der denn?«
»Frauen und Männern gleichermaßen gut. Das ist eine Mischung, die ich erfand. Nicht zu süß, nicht zu bitter und auch nicht zu hart. Lassen Sie sich überraschen.«
Germaine schaute Bill an, als wollte sie ihn durch ihre Blicke allein überzeugen.
»Aus welchen Bestandteilen setzt sich Ihr Drink denn zusammen?« wollte der Reporter wissen.
Harry wedelte Zigarettenqualm zur Seite. »Sie verzeihen, Monsieur, aber über die Zusammensetzung möchte ich nichts verraten. Sie soll mein Geheimnis bleiben. Ich habe den Drink erfunden. Wenn andere Bescheid darüber wüßten, wäre er nicht mehr exklusiv. Verstehen Sie?«
»Klar.«
Harry hatte die gespreizten Hände auf den inneren Bartresen gelegt.
»Nun, haben Sie sich entschieden?« wandte er sich an beide Besucher gleichzeitig.
»Eigentlich ja«, erwiderte Germaine. »Und Sie, Bill?«
»Na ja.« Der Reporter lächelte. »Einen halben vielleicht. Ich habe schon Whisky getrunken.«
In Harrys blauen Augen blitzte es für einen Moment auf. »Das werden Sie nicht bereuen. Der Drink ist hervorragend. Er wird Ihnen ausgezeichnet munden.«
»Wir wollen es hoffen.«
»Bis gleich dann.«
Harry drehte sich um. Er bediente noch andere Gäste und kam nicht sofort dazu, den Cocktail zu mixen. »Den haben wir
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