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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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warten, Frau Bluthaupt?«, erkundigte sich Isolde höflich. Wie ein gu ter Staubsaugervertreter hatte sie sich die Namen auf dem Türschildchen gemerkt. Der Kamelhaarmantel schmiegte sich um ihr Figürchen an das zerratzte Holz der Theke. Unter dem Saum lugte der Rock hervor, darunter schimmerten Seidenstrümpfe. Die Pumps hatten an den Fersen kleine Nieten.
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagte Frau Bluthaupt und wandte sich Papieren zu. Stühle gab es im Vorzimmer nicht. Schüler sitzen sowieso den ganzen Tag.
    »Sie halten die Stellung«, flüsterte ich Isolde zu. »Ich bin gleich wieder da.«
    »Aber …«
    »Oder wollen Sie im Auto warten?«
    Isolde schnaufte.
    Der Rektoratsgang endete an einem Fenster zu einem hinteren Schulhof. Gegenüber klotzte eine Turnhalle, die rechts durch einen Seitenflügel mit dem Haupthaus verbunden war. Der Zaun zum öffentlichen Fußweg hatte was von Raubtiergehege. Unten rotteten sich Uniformier te und Zivilisten um einen abgedeckten Körper. Ich treppel te die zwei Stockwerke hinab. Der Gang, der unten an einer Glastür endete, war mit rotweißen Bändern gesperrt und wurde von einem Schutzpolizisten bewacht.
    »Ist Oberkommissar Weininger schon da?«, fragte ich.
    Weder meine Frage noch meine Lederjacke oder die Narbe in meinem Gesicht passten zu dem, was sich der Bulle unter einer Lehrerin vorstellte. Seine Antwort war diplomatisch. »Das weiß ich nicht.«
    Ich entzog mich seinem Blick um die nächste Ecke in den Verbindungstrakt zur Turnhalle. Die Klassenzimmertüren lagen einander gegenüber. Ich klinkte links die nächste auf. Dahinter war es überraschend finster. Im Schein der offenen Tür starrten mir zwei Dutzend Kinder entgegen. Neben einem Filmprojektor ahnte ich die Ges talt des Lehrers. Auf der Leinwand vor der Tafel wurde gera de der brasilianische Regenwald abgeholzt. »Jede Minute verschwindet eine unserer Lebensgrundlagen auf einer Fläche von vierzig Fußballfeldern.« Schon zu meiner Zeit hatte der Sprecher so unerbittlich geklungen.
    »Polizei«, sagte ich noch tadelnder und marschierte durch den Regenwald zu den Fenstern, die mit schweren Vorhängen verhängt waren. Ich suchte nach einem Lichtstrahl, fand den Schlitz, öffnete ein Fenster und stieg aufs Fensterbrett. Gelächter flackerte auf. Auch die heutige Jugend war noch mit ganz einfachen Dingen zu erfreuen. Ehe ich in den Schulhof sprang, hatte ich Christoph Weininger ausgemacht. Er neigte zu weißen Socken, die vor der schwarzen Plane blitzten.
    »Ich kann dir nichts sagen«, sagte er.
    »Brauchst du auch nicht. Warum liegt die Leiche noch hier?«
    »Glatteis. Der Leichenwagen steckt im Stau. Es sind wieder alle Hausfrauen mit Sommerreifen losgefahren und haben sich quergestellt.« Er blies in die rot gefrore nen Hände und steckte sie dann in die wattierte rote Wes te. Christoph war ein kleiner Schlägertyp mit stoppeligem Schädel und einem Gesicht zwischen Biergemütlichkeit und Strafbarkeitsvermutung.
    »Wer hat ihn gefunden?«, erkundigte ich mich.
    »Der Hausmeister und eine Turnlehrerin, heute früh beim Aufschließen, gegen halb acht.«
    Ich hätte gern die Plane angehoben. Aber die Spurensicherung ließ niemanden mehr ran. Der Tote lag kopfseits an einem sechseckigen Blumenkübel aus Be ton, in dem ein kahles Bäumchen kümmerte. »Wie ist er gestorben?«
    Christoph hob die breiten Schultern. »Möglicherweise ausgerutscht und rückwärts gegen den Kübel gefallen.«
    »Das klingt nicht nach Mord.«
    »Dazu kann ich nichts sagen.« Christoph blinzelte an mir vorbei. Eine Frau stürzte auf uns zu. In Regenjacke, Jeans, Turnschuhen und mit dem mausgrauen Kurzhaarschnitt über dem Backpflaumengesicht schien sie seit Jahrzehnten erpicht darauf zu beweisen, dass sie der Abteilung bester Mann war.
    »Was machen Sie hier? Wer sind Sie?«
    »Nerz.« Ich senkte meine Stimme um eine halbe Ok tave. »Hat man Sie nicht informiert? Ich bin der Stuntman. Dezernat für aktionsorientierten Lokaltermin, DALT, im Volksmund Stuntmen genannt. Wir stellen den Tathergang gerichtsverwertbar nach, sobald es der materielle Befund erlaubt. Ich kann nichts dafür. Die Idee stammt von unserem rührigen Polizeipräsidenten. Wir sind beim Referat Ärztlicher Dienst angesiedelt. Versuchsphase. Ich sollte einen Blick auf die Angelegenheit hier werfen. Und wer sind Sie?«
    Christoph drehte sich schnell weg und machte sich fremd.
    »EKHK Beckstein. Und Sie verpissen sich! Verar schen kann ich mich selber.«
    Erste

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