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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Dezernat an. Er senkte sofort die Stimme. »Nicht jetzt. Ruf gegen sieben wieder an.« Was war EKHK Beckstein nur für ein Besen? Es war absurd, so ein Geheimnis um einen toten Deutschlehrer zu ma chen. Ich erwog, meinen Oberstaatsanwalt zu aktivieren. Dr. Richard Weber leitete zwar die Abteilung für Wirtschaftsdelikte und lehnte Mord ab, aber ihn verband mit Christoph eine uralte Feindschaft, deren wahre Ursache ich noch nicht hatte ergründen können. Die Aussicht, Christoph zu schaden, konnte ihn locken. Mir zuliebe mischte er sich auf keinen Fall in fremde Ermittlungen ein. Doch: »Herr Weber ist in der Sitzung«, teilte seine Sekretärin Kallweit mit.
    Ich legte die Füße auf den Tisch und rauchte. Seit zwei Jahren starrte ich mindestens einmal täglich ins Lochraster der Deckenverkleidung, das die Arbeitsgeräusche des Großraumbüros schlucken sollte. Die Löcher entzogen sich der räumlichen Fassbarkeit. Mal stachen sie als schwarze Punkte herab, dann wieder löcherten sie ins Unendliche. Stets warfen sie mir das Echo meiner Faulheit zurück. Was die Löcher schluckten, produzierte den nervösen Unterdruck für mein journalistisches Tun, doch was die Fläche reflektierte, lähmte meinen Diensteifer für das publizistische Interesse meines Arbeitgebers. So sorgte das Haus dafür, dass ich meinen Platz in der Welt jederzeit bestimmen konnte.
    Als Isolde vom Essen zurückkam, hatte ich den inneren Frieden wieder. Auf ihrem Gesicht glänzten Reste ranghöherer Gespräche. Ich überging das »Mahlzeit« und erbot mich, Kaffee zu holen. Vermutlich hatte Isolde mir meine niedere Herkunft längst angesehen und fand die Welt wieder auf die Füße gestellt, als ich mit zwei Bechern Kaffee anschwappte. Inzwischen war auch das Fax von der LPD II gekommen.Es war noch nicht lange her, da hatte man aufgehört, die Polizeiberichte mit Schreibmaschine und Tipp-Ex zu verfassen, und sich einem Textverarbeitungsprogramm anvertraut. Mit dem Briefkopf experimentierte man noch. Mal wieherte das Wappenpferdchen des lokalhistorischen Stutengartens, mal warfen abgerundete Ecken Schlagschatten. Der journalistischen Einfallslosigkeit kam man mit einer schwungvol len Mischung aus Polizeideutsch und reißerischem Lo kalzeitungsstil entgegen.
    »Eine grausige Entdeckung machte R. Treiber, der Hausmeister des Paul-Häberlin-Gymnasiums, als er am Mittwoch, den 1. Februar um 7:15 Uhr den hinteren Schulhof aufschloss …«
    Isolde schob die Haare hinters Ohr. Die kleinen Diamantstecker waren recht konventionelle Ware, vermutlich ein Geschenk ihres Freundes, der seinen Oldtimer im Winter stilllegte. Sie seufzte.
    »Den könnte doch jeder erstochen haben. Zum Beispiel eine eifersüchtige Freundin.«
    »Erstochen also, aber Freundinnen morden selten.« Ich konnte meine feministische Vergangenheit nicht verleugnen.
    »Ich meine ja nur«, sagte Isolde. »Es müssen nicht unbedingt Schüler gewesen sein.«
    »Wären Ihnen Schüler lieber?«
    »Natürlich nicht!« Sie nagte an der Unterlippe. »Soll ich jetzt einfach nur das Fax abschreiben? Und wozu wa ren wir dann heute früh in der Schule?«
    »Weil Elsäßer mir verboten hat, eine große Geschichte draus zu machen, mit Rücksicht auf seine Frau.«
    »Ach so, ja.« Isolde blinzelte. »Aber wenn man den Artikel nun so aufziehen würde, wie wir es erlebt haben? Betroffenheit bei den Lehrern, Sprachlosigkeit bei den Schülern?«
    Ich fragte mich, wie sie den Anschlag des Skaters auf ihre Brust schildern würde. »Nicht zu vergessen, Otters Verdacht gegen die Türken!«
    »Da wäre ich vorsichtig.«
    »Mit Rücksicht auf die Türken? Oder auf Otter? Oder auf Ihr Verhältnis zu Elsäßer? Wem schulden Sie am meisten Political Correctness?«
    »Wenn Sie glauben, dass ich Angst …!«, fuhr Isolde auf.
    »Oh nein«, sagte ich milde. »Aber meinen Sie nicht, Sie sollten sich klar darüber sein, wen Sie in die Pfanne hauen wollen, die Schüler oder die Lehrer?«
    »Ich will selbstverständlich niemanden in die Pfanne hauen!«
    »Warum nicht?«
    »Sie wollen mir doch nicht unterstellen, dass ich …«
    »Wenn Sie also auf Objektivität bestehen«, sagte ich lächelnd, »meinen Sie nicht, es wäre unverfänglicher, auch mit Rücksicht auf die Wünsche des Chefredakteurs, wenn Sie sich an den Polizeibericht hielten?«
    »Also gut.«
    »So viel zum pädagogischen Unsinn sokratischer Fragen. Trauen Sie nie einem Lehrer, auch wenn er sagt, dass er es gut mit Ihnen meint.«
    Hinter den Titanzwischenstücken

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